Hallo allerseits,
es ist vier Jahre her, dass ich von den seltsamen T2s in Kairo geschrieben habe. Letztes Wochenende war ich wieder da und hatte dieses Mal auch genügend Zeit.
Die alten T2s rackern immer noch wie eh und je. Die sind offensichtlich nicht tot zu kriegen. Ich habe mit einem Dutzend Fahrern gesprochen (naja, gesprochen ist übertrieben, wenn keiner mehr als ein paar Worte der Sprache des anderen spricht). Alle waren mächtig stolz auf ihre German Cars und als sie hörten, dass ich aus Germany komme und auch so ein Auto fahre, hatte ich gleich einen Tee in der Hand und durfte natürlich alle Fahrzeuge im Detail bewundern. Es gab Dutzende von Selfies. Der alte Mann und das Auto.
Doch eines war anders als beim letzten Mal: die meisten T2 fahren inzwischen mit einem dicken Gastank auf dem Motorraum herum. Gas ist billig in Ägypten. Es sind immer noch die alten Typ1-Motoren, doch unterm Vergaser ist ein Schlauchstutzen montiert, der das Ansauggeweih mit Gas versorgt. Alles andere ist geblieben, auch das knatternde Geräusch. Das Ganze ist echt simpel und scheint einwandfrei zu funktionieren. Nur auf der langgezogenen Auffahrt auf eine Hochstraße klangen die Motoren etwas asthmatisch...
Links im Motorraum die Gasarmatur
Eine hintere Federung hat keiner mehr. Die Karosserie liegt auf und leitet jeden Buckel der Straße ungedämpft weiter. Egal, ob der Bus leer oder voll ist. Ich weiß nicht, warum es die Konstruktion dabei nicht allmählich zerreißt. Wir hatten mal 50km mit gebrochenem Federstab. Das tat richtig weh.
Einer der Fahrer hat mich dann auf seine Tour mitgenommen. Die T2 pendeln hier als Minibusse auf definierten Strecken. Meiner fuhr von der Innenstadt 8 km raus zu den Pyramiden und wieder zurück. Man kann überall ein- und aussteigen, die Schiebetür ist immer offen.
Im Busbahnhof
Die Tour hat knapp eineinhalb Stunden gedauert, wir hatten 30 oder 40 Fahrgäste (maximal 10 gleichzeitig, alle sitzend!), das dürfte 20 bis 30 Euro eingebracht haben.
Einen Heizungshebel braucht hier niemand, dafür aber eine Kasse.
Ich habe auf dem Beifahrersitz den Verkehrs-Nahkampf live miterleben dürfen. Nah ist wörtlich gemeint. Letztes Mal schrieb ich, dass es von außen wie Vollkontakt-Karate wirkt. Jeder kämpft sich irgendwie gegen jeden vorwärts. Doch das ist Quatsch, wie ich mittlerweile weiß. Es sieht für uns zwar furchtbar chaotisch und aggressiv aus, das ist es aber gar nicht. Jeder achtet hier ganz genau auf die Bewegungen des anderen, niemand pocht auf sein Vorfahrtsrecht. Es ist eher ein ziemlich gut orchestriertes Ballett nach dem Motto: leben und leben lassen.
Für uns Deutsche mit unserem Glauben an Regeln - und deren Einhaltung - der pure Schock, doch das System funktioniert einwandfrei. Ohne Verantwortung für das eigene Blech macht es sogar richtig Spaß. Es ist kaum Aggression dabei, dafür aber Lautstärke. Ständiges Hupen ist für alle Pflicht, aber kaum mehr als ein freundliches Zeichen "Huhu, hier bin ich". Obwohl die vierspurige Straße eine erhöhte Mittelinsel hatte und oft sechs Fahrzeuge nebeneinander fuhren, kamen ständig Pferdekarren, Dreiräder, Mopeds oder Taxis entgegen. Und es war überhaupt kein Problem. Fährt man halt drum herum. Ich möchte mir das in Deutschland nicht vorstellen.
Ich würde inzwischen sogar behaupten, dass man mit verbundenen Augen über eine belebte zehnspurige Stadtstraße gehen könnte - und unversehrt drüben ankäme. Solange die Autofahrer mich sehen und meine Bewegungen abschätzen können, werden sie ausweichen. Ich habe oft gesehen, dass Leute einfach die Hand gehoben haben und losmarschiert sind. Mein beschränkter Glaube an die eigene Unsterblichkeit hindert mich daran, es zu versuchen. Noch!
Auf der Rückfahrt.
Für mich war das auch eine Reise in die Vergangenheit. Vor 41 Jahren sind wir mit unserem damals fast neuen Bus auf derselben Straße gefahren. Wir haben immer noch die extrem laute Fanfare von damals eingebaut. Seit ihrem Dauereinsatz hier hatte sie aber nur noch selten zu tun.
Das war meine erste längere T2-Fahrt seit Jahren. War ein geiles Gefühl. Jetzt wird es Zeit, dass ich meinen eigenen Bus wieder unter den Hintern bekomme. Nächste Woche!!!
Schöne Grüße aus dem angenehm temperierten Kairo
Wolfgang