Erfahrungen 1-2-3 Ignition

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Luftibus
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von Luftibus »

Hallo,

nun hab ich mal wieder in den von mir vor gefühlt langer Zeit begonnenen thread reingeschaut und komme ins grübeln ob meiner seit nun einigen Jahren verbauten 1-2-3, obwohl ich im Betrieb eigentlich bislang nichts negatives feststellen konnte. Da im Keller irgendwo noch eine CU Zündung liegen sollte.... Wäre nun aus Sicht der Experten das die gesündere Lösung und wie ging das noch mal mit dem Einbau? (ich hab die Suchfuktion bemüht, finde zwar viel zur Zündung aber nicht eine passende Anleitung für nen Elektrodummi wie mich :shock: :? :oops:

Grüße,
Bernd
1951er Zündapp KS 601 600 ccm Boxer
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Matthias S.
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von Matthias S. »

Die TSZH vom CU ist einfach super, da robuste Großserientechnik der 80er. Nur zu empfehlen, hat bei mir den Dauertest bestanden, incl. DLS. Für sorgenfreies Fahren. Das Stroboskop hänge ich nur noch alle paar Jahre rein.
Unbedingt nach den Daten des T3 und mit überbrückter DLS einstellen. Auch der richtige Anschluss der beiden Unterdruckschläuche ist wichtig. Sicherheitshalber auch die Maximalverstellung prüfen. Da ich auch andere Autos mit der TSZH fahre und betreue, da geht nur nach 30 Jahren mal das Zündmodul kaputt, welches sich mit wenigen Handgriffen umstecken lässt und 15€ kostet. Es ist also kein Schaden das Zündmodul in Reserve dabei zu haben da es zu unvermitteltem Totalausfall kommen kann. Aber wie gesagt, nur so alle 30 Jahre...

Grü0e, Matthias
Zuletzt geändert von Matthias S. am 22.01.2018 21:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Tanjas&Thomas_T2b
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von Tanjas&Thomas_T2b »

Luftschaufler hat geschrieben: 22.01.2018 19:45

Warum habe ich bei 900 - 950 Umdrehungen bei abgezogenem Unterdruckschlauch 7.5 ° Vorzündung ?
Warum habe bei ca. 3.500 Umdrehungen ca. 23° Vorzündung ?

Hi Ralf,

du müsstest bei abgezogenem Unterdruckschlauch und 3400 Umdrehungen 30,5° Frühzündung haben.
Und wenn du dann den Unterdruckschlauch aufsteckst musst du bei 3400 Umdrehungen 40,5° Frühzündung haben.
So macht es der originale Verteiler....

Die 7,5° von der Grundeinstellung werden auf die Einstellwerte der Verteiler addiert.
Von daher sind deine Einstellungen alle 7,5° zu spät :wink:

Viele Grüße,
Thomas
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Tanjas&Thomas_T2b
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von Tanjas&Thomas_T2b »

Da das mit dem Zündzeitpunkt ja eigentlich einfach ist, aber auf der anderen Seite durch Absolute und Relative Werte doch anscheinend immer wieder zur Verwirrung kommt versuche ich es einmal zu erklären.

Erst einmal allgemein, warum wir eine Zündverstellung überhaupt brauchen:

Der Zündzeitpunkt hängt im wesentlichen von den Größen „Drehzahl“ und „Last“ ab.

Die Abhängigkeit der Drehzahl rührt daher, dass die Durchbrennzeit des Gemisches bei konstanter Füllung und gleichbleibendem Luft-Kraftstoff-Verhältnis konstant ist und deshalb mit steigender Drehzahl immer früher gezündet werden muss.

Die Abhängigkeit von der Last wird durch Abmagerung bei niedrigen Lasten, den Restgasgehalt und die geringere Füllung des Zylinders beeinflusst. Dieser Einfluss bewirkt einen größeren Zündverzug und niedrige Brenngeschwindigkeiten im Gemisch, so dass der Zündwinkel nach früh verstellt werden muss.

Das Verhalten der Zündung in Abhängigkeit von Drehzahl und Last ist in der Verstellfunktion eingearbeitet. Die Verstellung besteht bei uns aus zwei Fliehkraftgewichten und einer Unterdruckdose.
Der Unterdruck ist ein Maß für die Last des Motors.

Jetzt erst einmal zu den Daten, die man im Reparaturleitfaden oder wo auch immer gefunden hat.
VW gibt z.B. für den Verteiler 022 905 205S (Typ4 Motor) folgende Werte an:
Um es nicht noch komplizierter zu machen, nehme ich jetzt mal immer nur die Mittelwerte und lasse die Toleranzen weg.

Grundeinstellung: 7,5° vor OT bei 875 1/min

Das ist die Grundeinstellung die man im Leerlauf vornimmt.

I. Fliehkraftverstellung messbar bei abgezogenem Unterdruckschlauch. (Drehzahlkomponente)

Fliehkraftverstellung Beginn: 1100 1/min
1600 1/min: 11,5° Fliehkraftverstellung
Das heißt, das bei 1600 1/min der Zündzeitpunkt um (nicht auf!) 11,5° Richtung Früh verschoben wird. Und wir haben nun 11,5° + 7,5° = 19° Frühzündung.

3400 1/min: 23°Fliehkraftverstellung

Das heißt, das bei 3400 1/min der Zündzeitpunkt um (nicht auf!) 23° Richtung Früh verschoben wird. Und wir haben nun 23° + 7,5° = 30,5° Frühzündung.

II. Unterdruckverstellung messbar mit aufgestecktem Unterdruckschlauch


Unterdruckverstellung Beginn: 127mbar = -12,7kpa
Unterdruckverstellung Ende: 266mbar = 26,6kpa 10°Verstellung Richtung Früh

Diese 10° werden nun auf die Drehzahlabhängigen Werte addiert:


1600 1/min: 7,5° + 11,5° + 10° = 29° Frühverstellung bei Teillast
3400 1/min 7,5° + 23° + 10° = 40,5° Frühverstellung bei Teillast

Die Unterdruckverstellung ist immer relativ zum jeweiligen Umgebungsdruck. Ich hatte ja oben geschrieben, das die Motorlast bei unseren Verteilern ja anhand des Unterdrucks ermittelt wird.
Nun zur Höhenabhängigkeit:
Auf null Meter haben wir einen Umgebungsdruck von ca. 100kpa.
Der Verteiler regelt also die kompletten 10° Frühverstellung bei einem Druck von 73,4 kpa aus.
(100kpa-26,6kpa= 73,4)

Auf 2500 Höhe haben wir einen Umgebungsdruck von ca. 73,5 kpa.

Der Verteiler regelt also die kompletten 10° Frühverstellung bei einem Druck von 46,9 kpa aus.
(73,5kpa-26,6kpa=46,9)

Was man hier klar erkennt ist, das unsere mechanischen Verteiler sozusagen wissen auf welcher Höhe wir uns befinden und die Motorlast dementsprechend immer relativ zum Umgebungsdruck erfassen und Regeln.

Und jetzt kommen wir zu dem Problem des 123 Verteilers. Der weiß nicht, auf welcher Höhe wir uns befinden.
Dieser Verteiler regelt die Frühverstellung immer nach dem Absolut herrschendem Unterdruck.
Und das ist fatal, da nun die Lastabhängigkeit ab einer gewissen Höhe gar nicht mehr erfasst wird.
Der Motor permanent die 10° Frühverstellung ertragen muss.
Und bei Höhenluft fettet ein Vergasersystem sogar noch an, sprich das Gemisch ist fetter und zündet eigentlich schneller und der Zündzeitpunkt müsste sogar Richtung Spät wandern, auf keinen Fall nach Früh.

Hier einmal ein Bild aus einer Bosch Anleitung:
Zündung.JPG
Wenn wir nun zu früh zünden, kommt es zu einer klopfenden Verbrennung.
Dadurch steigt der Druck im Motor deutlich an, und es kann zu kapitalen Motorschäden kommen.

Das Problem ist lösbar, wenn man in dem 123 Verteiler den Unterdrucksensor gegen einen Relativdrucksensor tauscht.

Und jetzt mal ganz ehrlich, ich habe ein paar mal gehört, dass man dann ja einfach die Kurve anpassen kann.
Stimmt, das könnte man machen. Ich würde schätzen, das man das dann alle 500 Höhenmeter anpassen sollte, damit der Verteiler noch innerhalb der Toleranzen des mechanischen Verteilers liegt.
Wer von euch hat denn ein Barometer im Cockpit und hat das jemals gemacht?

So, das hat mich gerade über eine Stunde meiner Freizeit gekostet :knuddel: :bier: Ich kann doch auch nix dafür, das es in Holland keine Berge gibt :wink:
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Wolfgang T2b *354
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von Wolfgang T2b *354 »

Danke, danke!!!!

Sehr schön, das Thema mal präzise und logisch dargestellt zu sehen. Das war Deinen Zeitaufwand ganz bestimmt wert. Ich bin zwar kein 123-Kandidat, aber verstehe gern, was da hinten eigentlich passiert. Und das mal kurz und knackig zusammengefasst zu finden, macht's mir einfacher.

Merci vielmals

Wolfgang
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tms
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von tms »

Fantastischer Beitrag!

Vielen Dank für Deine Zeit, ich zumindest habe einiges gelernt.

Viele Grüße
Thomas
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GoldenerOktober *001
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von GoldenerOktober *001 »

Thomas, ich liebe Dich! :gut:
Eigentlich müßte jetzt die leidige Diskussion über diesen unseligen 123-Verteiler für immer erledigt sein, denn plausibler kann man es nicht darstellen. Aber warum sagt mir mein Gefühl, daß dem nicht so ist???
Wir sehen uns in den Bergen. Spätestens...
Mit dem Bus da steckenbleiben, wo die Anderen erst gar nicht hinkommen...
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Matthias S.
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von Matthias S. »

Super erklärt, Thomas. Aber es wird immer wieder welche geben, die das selber ausprobieren müssen. Wenn man keine Reisen macht und Spielen will ist das ja auch nicht verkehrt.
Mir ist die Technik zu labil, ich steh auf Tuning mit Großserientechnik.
Grüße, Matthias
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Sgt. Pepper
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von Sgt. Pepper »

Matthias S. hat geschrieben: 22.01.2018 21:44 Die TSZH vom CU ist einfach super, da robuste Großserientechnik der 80er. Nur zu empfehlen, hat bei mir den Dauertest bestanden, incl. DLS. Für sorgenfreies Fahren. Das Stroboskop hänge ich nur noch alle paar Jahre rein.
Definitv!! :thumb:
Absolut Sorgenfreie Zündanlage. Alle paar Jahre den Verteiler etwas ölen und die Verstellung kontrollieren, sonst nichts.
Nur die Spielereien mit abziehen von Kerzensteckern, etc. sollte man dann tunlichst sein lassen. Das tut richtig weh...
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Norbert*848b
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Re: Erfahrungen 1-2-3 Ignition

Beitrag von Norbert*848b »

Sgt. Pepper hat geschrieben: 24.01.2018 15:38 Nur die Spielereien mit abziehen von Kerzensteckern, etc. sollte man dann tunlichst sein lassen. Das tut richtig weh...
... nicht nur einem selbst, sondern die Zündanlage kann dann auch Schaden nehmen (siehe entsprechenden Rep. Leitfaden). Wenn es dann sein muss die Funktionstüchtigkeit eines jeden Zylinders zu überprüfen, dann bitte nur über Kurzschließen nach (hoffentlich) bekanntem Verfahren:
forum/viewtopic.php?f=16&t=16483#p232634

PS: Auch bei einer Kontaktzündung sowie auf Transistorzündung umgebauten Anlage empfehlenswert. :thumb:
Freundliche Grüße aus Algermissen

Norbert
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