Zylinderkopf defekt?

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Roman
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von Roman »

Bei einem 1600er Motor (nicht meiner) hat sich auf einer Zylinderbank die Kipphebelwelle gelockert, der Motor klapperte ziemlich laut und hatte kaum Leistung. Nach ca. 70 km Fahrt hatte der Lagerbock der Kipphebelwelle einen Riss. Nach Tausch des Lagerbocks läuft der Motor wieder. Ein eher seltener Fehler, aber dafür einfach zu beheben.

Grüße,
Roman
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boggsermodoa
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von boggsermodoa »

Harald hat geschrieben: ... bestehen ja Zylinderkopf und Sitzring aus unterschiedlichem Material. Es wird nun so sein, daß beide Materialien unterschiedlich schnell abkühlen. Dadurch kann sich der Sitzring in Folge der sehr starken Erwärmung ein ganz klein wenig lösen ...
Das Aluminium des Zylinderkopfes hat eine höhere Wärmedehnung und eine wesentlich höhere Wärmeleitfähigkeit als das Material des Ventilsitzringes. Der Sitzring ist eingeschrumpft, das heißt, er ist mit Übermaß gefertigt und wird in die Sitzbohrung eingefügt, indem man den Kopf soweit erwärmt und den Ring abkühlt, daß er aufgrund Wärmedehnung dann da rein paßt. Sobald beides auf gleicher Temperatur angekommen ist, wird der Ring sicher gehalten. Je weiter im Motorbetrieb die Kopftemperatur steigt, desto weiter sinkt jedoch diese Haltekraft ab, da - wie bereits gesagt - das Aluminium eine höhere Wärmedehnung hat. Rausfallen kann der Ring folglich nur, wenn er entweder kühler ist als das umgebende Aluminium (kann z.B. unmittelbar nach dem Start passieren, wenn sich der Kopf schnell erwärmt) oder wenn beides zusammen auf einem derart hohen Temperaturniveau angelangt ist, daß aufgrund der unterschiedlichen Wärmedehnung die Haltekraft nicht mehr ausreicht.
Diese Haltekraft kann man durch ein höheres Schrumpfübermaß nicht beliebig steigern, da man erstens keine beliebig hohe Temperaturdifferenz beim Einschrumpfen herstellen kann und da man zweitens durch diesen "eingequetschten" Ring natürlich Zugspannungen in das Aluminium einbringt. Wenn das Übermaß zu groß ist, reißt deswegen der Kopf an der Engstelle zwischen beiden Sitzringen oder - bei anderen Motoren - zwischen Sitzring und Kerzenbohrung. Das passiert bevorzugt dann, wenn ein sehr warmer Motor ohne Abkühlphase stillgesetzt wird. Der Kopf erkaltet dann wegen der hohen Wärmeleitfähigkeit des Aluminiums schneller als der Sitzring, weswegen die Spannungen im Material dann nach oben schnellen.
Das Einschrumpfen neuer Ventilsitzringe ist deswegen ein delikater Job, der neben viel Sachkenntnis auch genaue Meßmittel und das Einhalten enger Toleranzen erfordert. Es ist eben die Gratwanderung zwischen zu fest und zu locker. Kann längst nicht jeder - und schon garnicht bei luftgekühlten Motoren mit ihrem großen Temperaturbereich, innerhalb dessen sie funktionieren müssen.
... ist die Nockenwelle (jetzt hoffe ich, das richtig zu erinnern) nur "spritzgeölt". Die kriegt also nur Schmierung bei Drehzahl. Läßt man den Typ4 (vom Typ1 habe ich keine Ahnung) deswegen länger im Stand vor sich her tuckern (also deutlich länger als irgendeine Ampelphase) läuft irgendwann die Welle trocken.
Die Nockenwelle ist an ihren Lagerstellen druckölgeschmiert, genau so wie die Kurbelwelle. Schmierprobleme gibt es zwischen Nocken und Stößel - und zwar um so mehr, je niedriger die Drehzahl ist. Das betrifft mehr oder weniger jeden Viertaktmotor und zwar um so mehr, je schwerer der Ventiltrieb und je höher das Drehzahlniveau ist, für das der Motor ausgelegt ist. Die Ventilfeder muß bei höchster Drehzahl die entstehenden Massenkräfte sicher überwinden und die Ventiltriebsteile in Kontakt halten. Für diesen Einsatzfall wird sie ausgelegt und folglich ist sie für jeden Einsatzfall unterhalb der Höchstdrehzahl viel zu stark. Im Leerlauf sind die Massenkräfte der Ventiltriebsteile äußerst gering und deshalb landet der volle Federdruck unten am Stößel. Bei vollem Ventilhub ist er am größten, also genau dann, wenn der Stößel auf dem Nockengipfel steht. Das ist die Stelle, an der der Nocken seine größte Krümmung/seinen kleinsten Krümmungsradius hat und wo folglich die Hertzsche Flächenpressung am höchsten ist.
(Die "Hertzsche Flächenpressung" ist eine Berechnungsmethode für Druckspannungen bei Linienauflage. Eine Berührungslinie, wie zwischen Nocken und Stößel, hat keinen Flächeninhalt, weswegen der resultierende Druck, berechnet als P=F/A, immer unendlich wäre. Deshalb wird ersatzweise die Flächenkrümmung herangezogen, da von ihr die Mikroverformungen abhängen, die an beiden Bauteilen stattfinden müssen, um einen endlichen, ausreichend großen Flächeninhalt herzustellen. Ob man in der Tribologie tatsächlich mit dieser Größe arbeitet, weiß ich garnicht, aber sie scheint mir geeignet, um zumindest eine Vorstellung davon zu vermitteln.)
Gleichzeitig ist im Leerlauf auch die Gleitgeschwindigkeit zwischen Nocken und Stößel am geringsten, weswegen das Öl alle Zeit der Welt hat, seitwärts davon zu laufen, anstatt - wie gewünscht - einen "Schmierkeil" zu bilden und die Bauteile voneinander zu trennen.
Das Ganze könnte man jetzt sicher auch noch auf eine Betrachtung des Öls und seiner verschiedenen Bestandteile ausweiten, aber da wird's wohl rasch esoterisch und da käme dann auch mein "internal wiki" ziemlich bald an seine Grenzen. :wink:

Wichtig ist eigentlich nur folgendes:
- Nicht nur die Höchstdrehzahl, sondern auch die Mindestdrehzahl muß ein Motor sicher beherrschen.
- Bei Mindestdrehzahl treffen am Nockengipfel die höchsten Flächendrücke mit der schlechtesten Schmierung zusammen. (Bei Höchstdrehzahl herrschen die größten Drücke an der Erhebungsflanke, während sich die Ventilfeder bemüht, daß der Druck am Gipfel nicht Null wird.)
- Der Nockengipfel wird im Leerlauf weggeschrappelt - nicht auf der Autobahn.
- Tuner, die für den Erstlauf ihrer Motoren/Nockenwellen sofort jenseitige Drehzahlen vorschreiben, haben es möglicherweise mit dem Schliff der Nocken etwas übertrieben. :roll:


Gruß,

Clemens
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Harald
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von Harald »

:shock:

Puuuuh,

ich glaube - also gefühlt - räusper - ähm - meiner Meinung nach, äääääh - ich hab´s fast alles verstanden:
boggsermodoa hat geschrieben:Rausfallen kann der Ring folglich nur, wenn er entweder kühler ist als das umgebende Aluminium (kann z.B. unmittelbar nach dem Start passieren, wenn sich der Kopf schnell erwärmt) oder wenn beides zusammen auf einem derart hohen Temperaturniveau angelangt ist, daß aufgrund der unterschiedlichen Wärmedehnung die Haltekraft nicht mehr ausreicht.
OK, das stützt ja die Eckstein-These, oder?
boggsermodoa hat geschrieben:Der Nockengipfel wird im Leerlauf weggeschrappelt - nicht auf der Autobahn.
Ja, das hatte ich ja auch kapiert.

:shock:

Danke Clemens!
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Mani
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von Mani »

Hallo Leute,

schön, was da so alles an Ideen zusammenkommt.

Erstmal das positive....Es ist kein rausgefallener Ventilsitzring gewesen. Auch war es nicht der 3. Zylinder.

jetzt das negative:

Es war der 4. Zylinder und es ist eine Ventilführung gebrochen.

Ich hab mal Fotos gemacht:
da fehlt doch was...wo ist es hin???
da fehlt doch was...wo ist es hin???
ahhh...da hin hat es sich verkrümelt...
ahhh...da hin hat es sich verkrümelt...
Und auch der Kolben hat laut "hier" gerufen, als es Ventilführungskrümel zu fressen gab
Und auch der Kolben hat laut "hier" gerufen, als es Ventilführungskrümel zu fressen gab
naja, hab noch Teile liegen, nu wird die neue Halle also gleich schraubermäßig eingeweiht.

Und wo ich schon mal alles so schön am Abschrauben war und nen Fotoapparat dabei hatte, hab ich alle Schritte schön fotografiert...also, falls Interesse besteht, wie man einen Zylinderkopf von nem 2 Liter typ4 bei eingebautem Motor aus- und wieder einbaut, kann ich ja einen reich bebilderten Workshop dazu machen.

schöne Grüße
Mani
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Rolf-Stephan Badura
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von Rolf-Stephan Badura »

uuiii... schluck, da bekomme ich eine leichte Gänsehaut - was einem alles so noch passieren kann... :shock:
und wie schnell (werktags, bei schwindender Sonnenscheindauer) Mani den Zylinderkopf runter hat, alle Achtung :respekt:
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Harald
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von Harald »

Mani hat geschrieben:Erstmal das positive....Es war der 4. Zylinder und es ist eine Ventilführung gebrochen.
Ja, dann mal herzlichen Glückwunsch!

Schön, daß Du da so ´n bischen schwarzen Humor hast ;-)
Mani hat geschrieben:Und wo ich schon mal alles so schön am Abschrauben war und nen Fotoapparat dabei hatte, hab ich alle Schritte schön fotografiert...also, falls Interesse besteht, wie man einen Zylinderkopf von nem 2 Liter typ4 bei eingebautem Motor aus- und wieder einbaut, kann ich ja einen reich bebilderten Workshop dazu machen.
Denn mal ran! Da werden einige Schritte bei sein, die man ja auch mal bei weniger dramatischen Problemen brauchen kann (beispielsweise tropfende Stößelschutzrohre oder sowas).

Grüße,
Harald
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Rolf-Stephan Badura
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von Rolf-Stephan Badura »

Hallo Harald,
Harald hat geschrieben:(beispielsweise tropfende Stößelschutzrohre oder sowas).
Dafür brauchst Du beim Typ 4 Motor (im Gegensatz zum Typ 1 Motor) nicht den Kopf runterzunehmen.
Die kann man bei abgenommenen Ventildeckel und abgenommen unteren Motorblech (um sie greifen zu können) rausziehen...

Trotzdem würde mich die Bilder von Mani interessieren... :dafür:

Grüße,
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Mani
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von Mani »

Rolf-Stephan Badura hat geschrieben: und wie schnell (werktags, bei schwindender Sonnenscheindauer) Mani den Zylinderkopf runter hat, alle Achtung :respekt:
naja, hat etwa 3 Stunden gedauert...wobei etwa 1 stunde schon allein dafür draufgegangen ist, dass ich mich bemüht habe, die eine Schraube , die die Verblechung am Zylinderkopf hält, heil rauszubekommen bis mir die Idee gekommen ist, dass ich den Zylinderkopf eh wegschmeisse :wall: ...dann ging es ganz schnell...kurz den Meissel angesetzt und ab war sie...
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GuentherKrass
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von GuentherKrass »

Hallo Mani,
Respekt, dass Du das Desaster mit Humor nimmst, was anderes hilft wohl leider auch nicht ;-)
Was ergab denn die Obduktion des Kopfes? Hat sich die Ventilführung gelockert, ist Richtung Brennraum gewandert und das Ventil hat sie vorne "aufgeklopft" oder kucken alle Schaftenden außen gleich weit raus und das entsprechende Ventil hatte einfach ziemlich viel Spiel?
So krümelig wie es im Zylinder aussieht musst Du ziemlich sicher das Kurbelgehäuse zerlegen und reinigen... und auch wenn Kolben und Zylinder noch brauchbar aussehen, ist sicher besser, die auch zu tauschen :(
Timo
Busbilder: http://picasaweb.google.com/timo.schairer
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Mani
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Re: Zylinderkopf defekt?

Beitrag von Mani »

heut nachmittag gehts wieder in die Halle, da werd ich dann den kolben noch ersetzen und alles wieder zusammenbauen. Ich werd keine Wissenschaft draus machen, vertraue einfach mal darauf, dass die Kolbenringe nicht allzuviel vorbeigelassen haben. Dieser Bus ist mein Alltagsauto, was jeden Tag herhalten muss. Hab ihn jetzt etwas über 5 Jahre und seitdem sind schon etwas mehr als 100.000 km auf der Uhr mehr drauf, als beim Kauf...dieser Bus ist ein Fahrzeug, der will seiner Bestimmung schnellstens wieder nachkommen :thumb: ...mein anderer Bus ist seit nunmehr 7 Jahren ein Stehzeug, an dem schraub ich rum und tob mich aus und werd sicher auch das Endrohr von innen putzen, falls sich der böse böse Ruß daran absetzen sollte :lol:

naja, jedenfalls bin ich mit dieser Taktik bis jetzt immer gut und günstig bei weggekommen und hab meinen Spass an dem Bus :D

schöne Güße
Mani
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