samson hat geschrieben:Ich könnte da stundenlang weiter erzählen, ...
Britta,
vielleicht bin ich ja die entscheidenden paar Jährchen älter als du, um mich zu erinnern, daß das bei uns damals nicht sooo viel anders war. Da gab's die Müllkippe am Dorfrand, den Schrottplatz mitten in den Feldern und Autos, die in irgendwelchen Hecken verrottet sind. Wenn die Katze überfahren wurde, wurde sie auf den Misthaufen geschmissen ...
Griechenland ist ja so sonderlich weit vom Status eines Entwicklungslandes nicht weg. Es gibt ein paar Superreiche, Reeder etc., es gibt etwas Wohlstand, v.a. durch den Tourismus, aber die große Mehrheit lebt doch unter Verhältnissen, wie bei uns in den 50er Jahren, wenn überhaupt. Wenn ich blutig geschundene Eselsrücken sehe oder Esel, die unter der Last fast zusammenbrechen, die man ihnen draufgepackelt hat, dann sticht mir das auch ins Herz, aber dennoch führt es zu nix, mit meinen Wertmaßstäben fremde Kulturen und Gesellschaften zu messen. Mit unseren Vorstellungen von Gleichberechtigung und Emanzipation könnten wir z.B. niemals ein muslimisches Land verstehen und von außen oder als Tourist können wir das auch nicht ändern. Wir können nur mit großen Kinderaugen feststellen, daß es funktioniert, daß die nicht alle todunglücklich rumlaufen, können vielleicht auch hie und da erkennen, wo es hakt, wo es gärt und brodelt und uns der Gewißheit hingeben, daß irgendwelche Mißstände zukünftig wohl behoben werden, durch Entwicklungen in eben dieser Gesellschaft. Das kriegen die schon hin, in Lybien, in Ägypten und auch im Iran. Wir sind nun mal auf unterschiedlichen Entwicklungsständen, aber diese gleichen sich an. Selbst in den USA, der wohl mit Abstand selbstverliebtesten und missionarischsten Gesellschaft, kommen immer wieder Fragen, wie z.B. die nach der Todesstrafe, dem legalen Waffenbesitz oder dem Sozialsystem auf's Tapet und irgendwann wird sich selbst dort was bewegen. Hättest du den Jugoslawienkrieg für möglich gehalten? Daß das Land auseinander bricht, hatte ich damals bei Titos Tod schon erwartet, aber daß man im 20. Jahrhundert mitten in Europa noch mal anfangen würde, politische Differenzen mit der Keule zu klären, das war für mich undenkbar.
Ich war vor ein paar Jahren mal geschäftlich in Japan und wurde dort mit neugierigem und belustigtem Blick gefragt, ob das denn wirklich stimmen würde, was man sich erzählt, nämlich daß wir Deutschen
den Müll sortieren würden? Das fanden die total crazy und völlig meschugge! Dabei ist Japan ein Land, das uns in technologischer und sozialer Entwicklung, in Rechtsstaatlichkeit, in Gründlichkeit und Qualitätsbewußtsein, in Ressourcenknappheit, Lohnniveau, pro-Kopf-Einkommen, Bevölkerungsdichte und -struktur in nichts nachsteht. Die ernähren sich aus dem Meer, legen irre Gärten und Parks an, züchten Kois und Kobe-Rinder, ernähren Bonsai-Bäumchen mit der Pipette, feiern die Kirschblüte ... messen aber der wilden, vom Menschen unbeeinflußten Natur keinerlei Wert bei.
Andere Länder, andere Sitten. Wenn ich ein fremdes Land bereise, dann bin ich dort Gast. Ich beobachte, ich sauge auf, aber ich urteile nicht. Wenn ich stattdessen mein eigenes Wertgefüge und meinen gesellschaftlichen Kontext zum Maß der Dinge erhebe, dann rappele ich mit den Schweizern schon zusammen!
(Graubünden mal ausgenommen
)
Gruß,
Clemens