forum.bulli.org

Hallo,

aus gegebenem Anlaß hab ich mir gedacht, wenn ich schon die Radlager an der Vorderachse wechsel, kann ich ja auch mal mit der Kamera draufhalten und alles dokumentieren.

Wir waren vor kurzem auf einer knapp 3000km Tour und während dieser Zeit hat es angefange zu brummen. Erst nur leise hintergründig, dann irgendwann auch offensichtlicher. In Linkskurvern war es weg, geradeaus und rechts rum war es immer da. Meine erste Vermutung, gestützt durch diverse Foren, hat mich meine relativ neuen Cargo Vector 2 Ganzjahresreifen einmal komplett durchtauschen lassen (also vorne nach hinten und umgekehrt und links nach rechts und umgekehrt). Das Brummen war zwar nicht weg, aber jetzt wird wenigstens das Profil der Reifen etwas gleichmäßiger abgefahren. Also nicht ganz umsonst, die Aktion.

Dann etwa getan, was immer wieder ungemein hilfreich ist: die Suchfunktion dieses Forums bemüht...und siehe da:

http://forum.bulli.org/viewtopic.php?f= ... ger#p59625

Wolfgang hat es genau so beschrieben, wie es auch bei mir war, also am Montag abend noch schnell bei Kfz-Teile 24 angehalten und zwei neue Radlager bestellt, am Dienstag konnte ich sie abholen. Ich hab welche von Febi genommen, hat mich für beide Seiten 21,-Euro gekostet. Also teuer ist das ganze nicht.

Werkzeuge und Hilfsmittel, die man benötigt:
- Hammer
- Montiereisen
- Schraubendreher (Schlitz)
- Inbus (6er)
- Ratsche
- verstellbarer Maulschlüssel (Engländer)
- Drehmomentschlüssel
- 19er Nuss + Verlängerung
- Holzklotz
- Sprengringzange (zweckentfremdet)
- Dorn (am besten aus Kupfer, hab ich nicht, also hats einer aus Eisen auch getan)
- Haken aus Draht
- 27er Nuss + Verlängerung (zweckentfremdet, aber bereits defekt, daher ok)
- Wälzlagerfett
- Wagenheber oder Hebebühne
- Unterstellbock (wenn keine Hebebühne vorhanden)
- Kompressor + Schlagschrauber (nicht zwingend nötige gehobene Luxusausstattung der heimischen Garage...wenn mans hat, erleichtert es den Kampf mit einigen Schrauben erheblich)

Jetzt zu den eigentlichen Arbeiten:

1.) Radkappen abnehmen

Ich nehme dafür immer meine kleine abgewinkelte Sprengringzange. Die liegt gut in der Hand und fungiert als Griff zum Ziehen. Wenn man vorher die Radkappe genau so aufgesetzt hat, dass eines der beiden Löcherpaare genau über einer der drei Haltenasen der Felge liegt, kann man hier mit der geringsten Kraft einfach an der eingehakten Zange ziehen und hat die Radkappe schnell runter. (gilt alles natürlich nur für die flachen Kappen)
2.) Rad abnehmen

Als erstes die Handbremse anziehen. Dann werden die Radmuttern gelockert. Danach den Bus vorne anheben mit dem Wagenheber (oder komplett mit Hebebühne). Sichern mit Unterstellbock. Dreht das Rad frei, können die Radmuttern abgeschraubt werden und das Rad kann abgenommen werden.

3.) Bremssattel abnehmen

Als erstes löst man die Halteklammer für die Bremsleitung am Achsschenkel (dort, wo feste Leitung auf flexible Leitung trifft). Dazu mit einem Schraubendreher das Sicherungsblech raushebel und die Leitung aus der Halterung ziehen. Dann einen Haken aus Draht biegen und diesen in das kleine Loch im Längsträger hängen. Dann werden die beiden Schrauben rausgeschraubt, die den Bremssattel am Achsschenkel befestigen. Man benötigt zum einen eine 19er Nuss in Verbindung mit einer Ratsche, zum anderen auch ordentlich Kraft, da diese Schrauben normalerweise mit 170Nm angezogen sind und gerne auch mal festgammeln. Also entweder eine Ratsche mit Verlängerung nehmen oder wie ich einen Schlagschrauber. Hat man die Schrauben entfernt, kann man den Bremssattel abnehmen (eventuell Bremsklötze auseinanderdrücken) und an dem Haken aufhängen, um nicht den Bremsschlauch zu belasten.
4.) Nabendeckel abnehmen

Mit dem Montiereisen abwechselnd von allen Seiten unter den Deckel hebeln, bis dieser sich abnehmen lässt. Fahrerseitig vorher den Sicherungsring von der Tachowelle entfernen.

5.) Radnabe samt Bremsscheibe abnehmen

Als erstes wird die Klemmmutter gelöst. Dazu mit 6er Inbus die Sicherungsschraube lösen. Mit dem Engländer die Klemmmutter lösen (fahrerseitig Linksgewinde ). Klemmmutter komplett abschrauben (geht per Hand).
Die unter der Klemmmutter befindliche Druckscheibe abnehmen und beiseitelegen. Wird nachher wieder benötigt.
Nabe samt Bremsscheibe vom Achsschenkel abnehemen. Die Kegel-Rollen-Lager sind jetzt lose, können also leicht rausfallen, daher vorsichtig alles sichern beim Abnehmen.
Den Achszapfen und alles andere gut säubern, wenn man schon mal dran kann. Den Achszapfen kann man jetzt auch begutachten, ob alles noch okay ist (Einlaufspuren ect. )
6.) Dichtring entfernen

Innenseitig verhindert ein Simmering, daß Fett aus der Nabe austritt. Diesen erneuern. Zum Ausbau einen Schraubendreher kurz an der Außenkante ansetzen und leicht mit dem Hammer eintreiben (der Dichtring ist nicht sehr stabil), dann einfach raushebeln.

7.) Außenlaufringe der Lager austreiben

Als erstes den äußeren Außenlaufring austreiben. Dazu passte bei mir perfekt eine 27er Nuss in Verbindung mit einer 1/2 Zoll verlängerung, die eh schon defekt ist und nur noch zum Draufhauen geeignet ist. Ein Rohr in passendem Durchmesser wäre sicher besser, nur hab ich das nicht rumliegen.
Danach den inneren Außenlaufring ausgetrieben. Dazu einen Dorn immer überkreuz an die Kante (von innen) angesetzt und vorsichtig mit dem Hammer ausgetrieben. Den Dorn immer an vielen verschiedenen Stellen ansetzen, gegenüber und über kreuz, damit der Ring nicht verkantet und die Sitzfläche zerstört wird.

8.) neue Außenlaufringe eintreiben

Die Sitzflächen der Außenlaufringe reinigen. Neuen Ring aufsetzen, auf richtige Richtung achten (kleiner Innendurchmesser innen, großer Innendurchmesser außen). Kleinen Holzklotz flächig auflegen und vorsichtig über kreuz mit dem Hammer einschlagen. Der Ring darf nicht verkanten. Wenn der Ring tief genug sitz, den Rest mit dem Metalldorn eintreiben (wieder rundherum ansetzten über kreuz), bis der Klang des Dorns sich von dumpf zu hell klingend beim Hämmern ändert. dann ist er auf dem Grund des Sitzes angekommen.

9.) Naben mit Fett füllen

Die Naben sorfältig reinigen, altes Fett raus. Pro Nabe etwa 80g Fett einfüllen (Wälzlagerfett)
10.) Inneres Radlager einsetzen

das Lager ordentlich einfetten und dann einsetzen.

11.) Dichtring einsetzen

Die Sitzfläche säubern und den Dichtring einsetzen. Dieser ließ sich von mir gerade noch so mit den Fingern etwas in den Sitz eindrücken, den Rest bis zum Anschlag mit einem Dorn vorsichtig eintreiben (wieder über Kreuz), man kann auch einen alten Ring als Hammerunterlage nehmen, um den neuen nicht zu beschädigen.

12.) Radnabe/Bremsscheibe wieder aufsetzen

13.) äußeres Radlager einsetzen

Das Lager ordentlich einfetten und einsetzen.

14.) Druckscheibe aufsetzen

darauf achten, dass die Scheibe nicht verkantet. Die Nase innen muss in der Nut im Zapfengewinde liegen. Verkantet die Scheibe, drohen Einstellfehler.

15.) Klemmmutter aufschrauben

per Hand so weit es locker geht aufschrauben.

16.) Bremssattel befestigen

Vor dem Aufsetzen des Bremssattels die Bremsscheibe gründlich reinigen. Die Scheibe muss fettfrei sein, also Bremsenreiniger, Silikonentferner oder Waschbenzin nehmen.
Den Bremsattel aufsetzen und die beiden Schrauben mit 170 Nm festschrauben. Darauf achten, dass die Schraube mit dem gewindefreien Schaft nach oben kommt. Die Bremsleitung in die Halterung stecken und das Sicherungsblech wieder einschlagen.

17.) Radlagerspiel einstellen

Das Rad wieder anschrauben, Muttern so fest anziehen, dass es nicht auf der Nabe wackelt. Die Klemmschraube soweit festziehen (Fahrerseite Linksgewinde ), dass sich die Druckscheibe gerade noch so mit viel Druck durch einen angelegten Schraubendreher verschieben lässt. Nicht abstützen, hebeln oder drehen . Beim Anziehen der Klemmschraube ständig am Rad drehen, damit sich das Lager nicht verkantet. Wenn alles passt, die Sicherungsschraube (6er Inbus) mit 15Nm anziehen.
18.) Naberndeckel aufschlagen

Die Deckel mit einem Hammer auf die Naben aufschlagen, über Kreuz, damit nichts verkantet. Fahrerseitig darauf achten, dass die Tachowelle eingeschoben ist. Diese dann sichern mit dem Sicherungsring.

19.) Räder festschrauben

Den Bus wieder auf die Räder stellen, also runter vom Unterstellbock oder der Hebebühne, und jetzt die Radmuttern über Kreuz mit 130Nm festziehen. Die Radkappen so aufsetzen, dass ein Löcherpaar am Rand genau über einer der drei Haltenasen der Felge liuegt, um die Deckel später leicht runterzubekommen.

20.) Fahren und genießen

Wenn alles richtig gelaufen ist, wird man mit einem Fahrgefühl wie Gleiten auf einer Sänfte belohnt

So sahen die defekten Teile aus:
und so sieht ein neuer Satz aus:
So, ich hoffe, ich hab alles aufgeschrieben und bebildert, was wichtig ist, falls jemand ergänzen will oder anmerken möchte, kann er das gerne tun.

Ich hab den Etzold "so wirds gemacht" als Grundlage genommen.

Viel Spass beim selbermachen wünscht
Mani

Hi,

alles gut Sehr gut beschrieben

Zum Eintreiben der Lagerschalen hab ich die alten Lagerschalen genutzt.

Also die neue Lagerschale wie bei Dir beschrieben eingetrieben und den Rest bis
zum engültigen Sitz mit Hilfe der alten Lagerschale eingetrieben.

Abschließend die alte "Hilfs"-Lagerschale wieder mit dem Dorn ausgetrieben.

#micha#

Mani,

juth jemacht!

so long
Olli

Hallo zusammen,
ich les mich gerade in die Vorderachsthematk ein
und bin dabei auf den Abstandsring unterm Radlager gestoßen.
Diesen gibt soweit ich gesehen habe nicht mehr zu kaufen.
Im RLF steht ja dass man den Ring tauschen sollte.
Nehmt ihr jedes mal den alten? Dürfte sich ja im Prinzip nicht wirklich abnutzen das Teil.

Gruß Markus

Moin,

der Abstandsring sollte im normalen Betrieb nicht verschleißen. Es sei denn eines der Lager hätte gefressen und der Außenring würde sich im Lagersitz drehen und die Seiten beschädigen.
Dann hättest du aber noch ganz andere Probleme und müsstes nach einem neuen Gehäuse ausschau halten.

Also, wenn du nicht einen extremen Schaden an den beiden Kegelrollenlagern hast, kannst du den Abstandsring guten Gewissens nach weiter verwenden.

Grüße,
Stephan

Hallo Markus,

wie Stephan schon schrieb, brauchst Du den Ring nur dann wechseln, wenn er sichtbare Schäden hat. Ich habe es bei mir tun müssen, hatte allerdings noch das Glück, zwei neue zu finden. Bei mir waren keine defekten Lager die Ursache, sondern der Verschleiß der zylindrischen Dichtfläche (und wegen der wollte VW das Ding auch regelmäßig tauschen). Sand hatte über 30 Jahre einen halben Millimeter Material abgeschrappelt, so dass die Dichtlippe nur noch ganz vorsichtig aufgelegen hat. Schau' Dir also die Dichtfläche an, wenn die noch gut ist, dann kannst Du ihn wieder einbauen.

Schöne Grüße

Wolfgang