Michl hat geschrieben:"He Jungs, habt ihr was dabei, ein bisschen Gras? Kommt schon Jungs, gebt uns was, wird auch nichts passieren"
Das erinnert mich an eine Begebenheit damals in der Türkei:
Anfang der 80er war der Osten des Landes touristisch noch völlig unerschlossen. Es gab dort insbesondere keinerlei Campingplätze. Die Türkeikarte war beidseitig bedruckt. Auf der Vorderseite zeigte sie den Westteil des Landes bis etwas über Ankara hinaus, auf der Rückseite fand sich nicht etwa nur der Ostteil, sondern das gesamte Land in kleinerem Maßstab und ohne daß irgendwelche touristischen Sehenswürdigkeiten o.ä. eingetragen gewesen wären. Lt. Reiseführer (Reihe Roter Rucksack) war es allgemein üblich und auch das sicherste, im Inneren von Armeekasernen zu übernachten, was problemlos möglich sei, wenn man freundlich darum bittet. Genau das haben wir mal ausprobiert, und zwar in Gürün, in der Nähe von Malatya. (An geografischer Länge sind wir da also schon weiter östlich, als sich das Mittelmeer erstreckt.)
Wir rollen also mit unserem Schlachtschiff vor das Tor, unter den fragenden Blicken des Wachhabenden. Dieser Blick ändert sich zu einem fassungslosen "Hä???", nachdem es uns gelungen ist, unser Anliegen vorzutragen und verständlich zu machen. Das kann er nicht entscheiden! Der Nächste auch nicht, genau so wenig wie der Übernächste und der Überübernächste. Wir haben einen ziemlichen Aufruhr verursacht und hangeln uns allmählich in der militärischen Hierarchieordnung Ebene um Ebene nach oben, jedoch ohne Erfolg, da der Kommandant unterwegs sei und erst später erwartet wird. Bis dahin sollen wir uns etwas abseits einrichten. Dann, später, große Aufregung: Verkehrsunfall, Kommandant tödlich verunglückt! Dann, wieder etwas später: Großes Hallo! Kommandant fährt vor mit 'ner Beule im Auto und zerbrochenem Scheinwerferglas. Nach 'ner halben Stunde Wiederauferstehungsfeier kommt dann der Kommandant schließlich zu uns, bittet uns herein, weist uns einen Stellplatz zu und bittet uns zum Abendessen. Daß er sich für unsere Bewirtung zuständig fühlt, ist uns unangenehm. Schließlich benötigen wir ja nur ein Plätzchen zum Pofen. Er freut sich jedoch offensichtlich über die unerwartete und ungewohnte Gesellschaft und quasselt uns bald Löcher ins Hemd.
Zunächst mal entschuldigt er sich für den Aufruhr und daß wir nicht gleich ... und die Aufregung ... war nur ein kleiner Bagatellunfall, keine Ahnung, wie seine Leute da ein Blutvergießen draus machen konnten und überhaupt, hier sei eigentlich alles ganz locker, und die Türkei sei eigentlich ganz locker, und insbesondere er sei eigentlich ganz besonders locker und höre auch gerne Janis Joplin oder die Rolling Stones, und ob wir nicht etwas Whisky dabei hätten oder einen "Blueboy" (gemeint war der Playboy, wie wir rasch herausfanden), das trinkt und guckt er nämlich gerne heimlich, wenn er sich's erlauben kann - und er kann es sich oft erlauben ... und gelegentlich auch mal ein Tütchen, ja klar.
Oh Mann! Es wurde ein langer Abend, während dessen er sichtlich bemüht war, sich selbst als coolen guy darzustellen und während dessen auch unmißverständlich klar wurde, daß er uns vor allem als tütchenrauchende und whiskytrinkende Pornoheftchengucker betrachtet, was ja auch völlig in Ordnung sei, schließlich sei er ja auch einer von uns! Paßt schon! Mit den Moralvorstellungen seiner Untergebenen oder der Türkei oder gar des Islam habe er nicht wirklich was zu tun, und man dürfe das alles nicht so eng sehen!
Wir waren wirklich nur Etikett - und dann auch noch das falsche. Außerdem: gleicher Nachname, gleiche Wohnaddresse - wir konnten also nur ein Ehepaar sein - und das sprach zweifellos für uns, denn zumindest konnten wir demzufolge moralisch noch nicht völlig verwahrlost und verlottert sein. Bruder und Schwester, darauf wär der nie gekommen! Vielleicht auch besser so! Oh Gott!
Künftig schliefen wir wieder irgendwo im Freien - ohne Probleme übrigens.
Gruß,
Clemens