Peter E. hat geschrieben:
Aber eine flächendecke Stromversorgung für eine Million Autos sehe ich auch eher kritisch.
Wenn du in der Stadt Laternenparker bist, biste raus.
Hmm,

Laterne anzapfen!
Aber zur Sache - und zwar zunächst mal emotional:
Für mich gibt's zwei Arten von Beschleunigung, nämlich einerseits die sterile, langweilige, lästige, mit konstanter Kraft, wie man sie von Personenaufzügen, U-Bahnen etc. kennt. Dahinter steckt immer ein Elektromotor - und Elektromotoren sind per se doof! Jawoll!

Auf der anderen Seite gibt's aber auch Beschleunigung, die tierisch Spaß macht und wahrscheinlich jede Menge Endorphine freisetzt. Die kennt man von kräftigen Motorrädern oder Autos oder wenn ein Jet auf der Startbahn lostobt. In jedem Fall steht dahinter irgend eine Art von Verbrennungskraftmaschine, ein Ding das atmet und "lebt", begierig Luft reinschlürft, sie verbrennt und kraftvoll wieder ausstößt. Und das dabei irgendeinen Drehmomentgipfel erklimmt, auf dem dieses Ein- und Ausatmen eben am besten funktioniert. Das ist zwar beim VW nur ein flacher Hügel zwischen 2000 und 4000/min, während Turbo-Benziner oder Jets gefühlt und gemessen um so kräftiger werden, je höher sie drehen und dabei über sich hinauswachsen. In jedem Fall jedoch haben solche Maschinen einen "Charakter" und bringen eine emotionale Komponente ins Spiel, der sich niemand entziehen kann, der auf welche Weise auch immer ein Herz für Technik hat - und die so'n blöder Elektromotor niemals wird bieten können. Vor kurzem bin ich mit dem Schlumpi-Kind nochmal Dampflok gefahren - und zwar zum ersten mal seit ich noch in seinem Alter war und die Dinger noch regelmäßig verkehrten. Leute, was für ein geiler Apparat! Ich mußte wirklich das ein oder andere Tränchen wegdrücken, das seine Ursache nicht im beißenden Qualm des Fahrtwindes hatte! Ein ICE ist dagegen eine wirklich traurige Einöde, in der man die Zeit zwischen Abfahrt und Ankunft dahinvegetiert, wie nicht gelebt. Deshalb ist in seinem Inneren auch alles darauf ausgelegt, den Passagier möglichst von der Fahrt und der Welt da draußen und dem Leben an sich abzulenken. Ich verstehe auch nicht, was ein aus der Decke herunterklappbarer Videomonitor in einem Auto zu suchen hat, oder wie man auf einem Interkontinentalflug was anderes als einen Fensterplatz buchen kann. (Und ich habe noch an keinem Auto jemals einen Reifen innen abgefahren.

)
Und jetzt versuch ich's mal rational:
Meine Honda Dax will immer nach 80km an die Krippe, um 2 Liter Sprit nachzukippen. Und das nervt! Meist, d.h. vor jeder größeren Fahrt, füttere ich sie zu Hause aus dem Kanister, damit man sich wenigstens die nächsten anderthalb Stunden mal keine Sorgen wegen der Tankerei machen muß. Auch das nervt! Mit dem Ding unternehme ich durchaus auch touristisch motivierte Touren (z.B. wenn ich sie im Auto mit in Urlaub genommen habe), treibe mich - weil klein und langsam - dann auch nur auf kleinsten Nebenstraßen mit ihr rum und muß dabei die Route stets so planen, daß ich spätestens alle 80km wieder irgendwo die Zivilisation streife, in der Hoffnung, dort 'ne Tankstelle zu finden. Nervt extrem!
Wenn ich sie jedoch zuhause zum Brötchenholen u.ä. einsetze, ist die Reichweite sogar einigermaßen ausreichend, und mit der Vorstellung, sie jedesmal in der heimischen Garage an irgend ein Kabel anzustöpseln, das dann wieder volle 80km Reichweite generiert, könnte ich durchaus leben. Die Dax nimmt deshalb so wenig Sprit, weil sie eben nur 75kg wiegt. Wenn ich also meine 85kg Körpergewicht da draufpackel, dann schleppt sie schon mehr als ihr Eigengewicht und selbst 'ne zusätzliche Sozia zwingt sie noch lange nicht in die Knie, sondern höchstens hie und da mal an einem Berg einen Gang runter. (Auffällig dabei, daß der wackere kleine Motor um so kräftiger wird, je weiter ihn die Steigung in niedrigere Drehzahlen zwingt. Früher Einlaßschluß, wir nähern uns dem Drehmomentgipfel von oben, das Ding hat !Charakter!) Dabei ist der Motor eine bald vierzig Jahre alte Konstruktion. Vom Wirkungsgrad gibt's heute mit Sicherheit besseres. Wenn sich dieser bessere Wirkungsgrad jedoch in einem Zwei-Tonnen-PKW verbirgt, der 85kg Manager plus 5kg Aktentasche transportiert, dann scheint die Dax dennoch eindeutig das überlegene Konzept mit der besseren Gesamtbilanz.
Wenn man nun versucht diese 4kW Leistung und 80km Reichweite (mit Reserve sind's etwas über 100km) mit einem Elektrofahrzeug zu realisieren, dann kommt man mit 75kg Eigengewicht derzeit noch nicht hin. Die geringe Reichweite der Dax ist außerdem v.a. ihrem exravaganten Design geschuldet. ein größerer Tank wäre technisch kein Problem, mal ganz abgesehen davon, daß man natürlich auch einfach weitere 200km Reichweite in einem 5l-Kanister mitführen kann. Ein Elektrofahrzeug braucht außerdem Stunden am Ladegerät um wieder betriebsbereit zu sein, während das Nachtanken bei der Dax eine Sache von Minuten ist. Um autark zu sein, braucht ein Elektrofahrzeug deswegen entweder eine eigene Stromquelle oder - Zukunftsmusik - einen eigens präparierten Fahrweg, auf dem die Batterie by the fly aufgeladen wird, etwa durch unter der Fahrbahndecke verlegte Induktionsschleifen - also ähnlich wie die elektrische Zahnbürste aufgeladen wird, ohne offene Leitungsenden an ihrem Äußeren. Die eigene Stromquelle kann vernünftigerweise nur wieder ein Verbrennungsmotor sein, denn nirgendwo sonst gibt's die erforderliche Leistungsdichte bei gegebenem Gewicht. Dieser Verbrennungsmotor könnte dann jedoch permanent am verbrauchsoptimalen Punkt betrieben werden und außerdem kann man mit einem Elektromotor auch Nutzbremsungen durchführen, bei denen der größte Teil der andernfalls verlorenen Energie wieder zum Laden Batterie verwendet werden kann. Wenn man nun all diese dafür erforderliche Technik in die Dax stopfen wollte, dann würde man ihr Gewicht mindestens verdoppeln - und dann bewegt sie sich mit nur 4kW Leistung endgültig überhaupt nicht mehr. Man bräuchte also insgesamt wieder stärkere Motoren, größere Batterien und egal, was da irgend eine Rechenknecht dann als Wirkungsgrad ermittelt und in den Prospekt schreibt: Die olle Dax wird so wie sie ist in der Gesamtbilanz allemal günstiger dastehen.
Ich gehe deshalb davon aus, daß der Verbrennungsmotor auf lange Sicht immer noch ohne Alternative bleiben wird und sehe die Zukunft in kleinen, verbrennungskraftbetriebenen Fahrzeugen mit hoher Leistungsdichte, die jedoch endlich mal den Wohlstandsspeck in Form von energiefressendem Zubehör (Klimaanlagen) und gewichtstreibenden Einbauten ('ne Mercedes C-Klasse schleppt z.B. alleine an Dämmmaterial das 2,66-fache Eigengewicht meiner Dax mit sich rum) abwerfen müssen.
Gruß,
Clemens