woolybulli hat geschrieben:Okay, ich glaub ich les jetzt erst mal ein bisschen meine Bücher.
Um Nockenwellen miteinander vergleichen zu können, brauchst du mehr, als die bloße Information, bei welchen Winkelstellungen die Ventile öffnen und schließen. Stattdessen brauchst du die Ventilerhebungskurven, um die Flächen unter den Kurven und ihre maximale Steigung (= Ventilbeschleunigung) miteinander vergleichen zu können. Der eigentlich limitierende Faktor ist der jedoch der Ruck, also - nochmal 'ne Ableitung weiter - die Änderung der Beschleunigung pro Zeiteinheit. Den konnte man in der Prä-Computer-Ära nicht wirklich berücksichtigen und viele alte Nockenprofile verschenken da 'ne Menge. Eine moderne Erhebungskurve ist auch nicht ruckfrei, sondern vielleicht "ruckarm". Nach der Anlauframpe, die das Spiel überbrückt und die einzelnen Ventiltriebsteile in Kontakt bringt, folgt eine kurze Beruhigungsphase, um die Teile ausschwingen zu lassen und dann ein heftiger Beschleunigungsimpuls, "daß das Ding die Welt nicht mehr versteht". Dann wieder kurz ausschwingen lassen, um anschließend das Ventil wieder abzubremsen. Das ist der Wendepunkt, wo die Kurvenkrümmung von links nach rechts wechselt. Bereits ab da wird die Federkraft benötigt, um das Ventil und alle übrigen Teile am Nocken zu halten. Je weiter also die Wendepunkte auseinander liegen und je geringer die Krümmung nach rechts ist, desto schwächer kann die Feder sein (und desto drehzahlfester ist der Motor, falls er's beim Öffnen nicht übertreibt). Das Schließen erfolgt dann analog zum bereits Beschriebenen.
Mit all diesen Informationen und etwas zusätzlichem Basiswissen kannst du über einen Vergleich der einzelnen Kurven jedoch nur Tendenzen vorhersagen und auf den Charakter und die Charakterunterschiede der einzelnen Nockenwellen schließen. Welche davon nun für den gegebenen Motor das richtige Maß darstellt, hängt von vielen anderen Faktoren ab und läßt sich nur am Prüfstand ermitteln. Auf diesem empirischen Weg warten dann u.U. noch einige Überraschungen. Für die alten BMW-Zweiventil-Boxer gibt's z.B. eine "Drehmoment-Nockenwelle" mit nur 297° Öffnungswinkel und eine schärfere mit 320°. (Die Serienwelle öffnet 308°, alle drei sind uralte Schleicher-Profile.) Wenn man diese 320°-Welle um 3°NW nach früh verdreht, übertrumpft sie im unteren Drehzahlbereich die "Drehmomentwelle" und bringt gleichzeitig nach oben raus viel mehr Leistung als die Serienwelle.
Alles was du dir also über Winter nach dem Motto "aus jedem Dorf ein Hund" zusammenhäkeln kannst, ist letztlich ein Schuß ins Blaue. Wenn du keine eigenen Entwicklungskapazitäten hast, ist das einzig Sinnvolle, was seriös Entwickeltes von einer darauf spezialisierten Firma zu kaufen. Es gibt da ein paar, denen ich wirklich was zutraue, aber die meisten haben halt nur Käfer und "soviel Qualm wie möglich" auf dem Zettel. Ein aussagekräftiges Leistungs- und Drehmomentdiagramm sollte jedoch jeder auf Anfrage liefern können. Danach kannst du dann auswählen und anschließend den Motor
genau so aufbauen (lassen).
Gruß,
Clemens