Einpresstiefe und Lenkrollradius

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Wolfgang T2b *354
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Einpresstiefe und Lenkrollradius

Beitrag von Wolfgang T2b *354 »

Moin Moin,

ich habe neulich zwei meiner Felgen gestrahlt und gleich noch vermessen, weil sie ja frei von Rost und Farbe waren. Ich wusste, dass die eine etwas weniger Einpresstiefe hat. Es sind exakt 3 mm (ET 38 statt ET 41).

Das hat mich in der Vergangenheit nicht sonderlich gestört. Doch dann fiel mir ein, dass wir ein paar Mal ein einseitiges Ziehen an der Vorderachse hatten, was nach einem Radwechsel wieder verschwunden war. Ich hab‘s immer auf unterschiedliche Reifen geschoben, doch jetzt kam mir Verdacht, dass das eventuell von dieser Felge verursacht sein könnte. Deshalb habe ich mich ein wenig tiefer in das Thema hineingegraben. Der Reifen läuft 3 mm weiter außen. Ok. Der Lenkrollradius verändert sich 3 mm Richtung positiv. Auch ok.

Und was mach’ ich mit dieser Erkenntnis :roll:?

Wenn der Reifen 3 mm weiter außen steht, wirkt der Rollwiderstand an einem längeren Hebel. Das heißt, der Wagen zieht ein wenig in die Richtung der Felge, was zu meinen Erinnerungen passt. Aber würde ich den Effekt überhaupt bemerken?

Bleibt noch der Lenkrollradius. Ich vermute, dass wir einen positiven haben, denn die Achskonstruktion stammt ja noch aus den 60er Jahren. Ich las, dass der Golf Mitte der 70er Jahre das erste Großserienfahrzeug mit negativem Lenkrollradius war. Mein positiver Radius wird also um 3 mm größer. Und wieder dieselbe Frage: merke ich das?

Sollte sich herausstellen, dass unterschiedliche Einpresstiefen tatsächlich spürbaren Einfluss auf das Fahrverhalten haben, dann sehe ich keine simple Lösung. Eine andere Felge ist nicht zu bekommen. Ich könnte auf der gegenüberliegenden Seite eine 3 mm Unterlage zwischen Felge und Radnabe legen. Dann hätte ich den gleichen „Fehler“ auf beiden Seiten. Aber so richtig glücklich wäre ich damit nicht (z.B. wg. Länge der Radbolzen). Oder ich benutze die Felge möglichst nur noch auf der Hinterachse. Das sagt mir im Augenblick am meisten zu. Oder: wenn schon vorn montiert, dann rechts, da wir durch die Straßenneigung ohnehin eine Drift nach links haben.

Mich würde sehr interessieren, was die Fahrwerksfachleute unter uns dazu sagen? Sind 3 mm ET-Unterschied an der Vorderachse tatsächlich spürbar? Auch für Leute, die kaum auf Autobahnen, sondern eher auf Rumpel-Pumpel-Strecken unterwegs sind?

Danke und schöne Grüße

Wolfgang
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T2a/b Camper
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Re: Einpresstiefe und Lenkrollradius

Beitrag von T2a/b Camper »

Was sind denn das für Felgen?
Ich kenne nur die originalen mit 5,5x14 ET 39 und die ersten Syncro Felgen mit 6x14 ET 30.
Es grüßt aus dem schönen Nordhessen der Klaus.
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boggsermodoa
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Re: Einpresstiefe und Lenkrollradius

Beitrag von boggsermodoa »

Wolfgang T2b *354 hat geschrieben: 17.06.2024 15:57
Bleibt noch der Lenkrollradius. Ich vermute, dass wir einen positiven haben, denn die Achskonstruktion stammt ja noch aus den 60er Jahren. Ich las, dass der Golf Mitte der 70er Jahre das erste Großserienfahrzeug mit negativem Lenkrollradius war. Mein positiver Radius wird also um 3 mm größer. Und wieder dieselbe Frage: merke ich das?
Beim Bremsen schon. Kann zwar sein, dass du dich dazu erst mal am nächsten Flughafen auf die Landebahn begeben müsstest, aber dann würdest du es merken - und zwar ähnlich drastisch wie der Unterschied zwischen leerem und besetztem Beifahrersitz. :wink:
Ich finde, du bist Ingenieur genug, um die wirkenden Kräfte mit 0,003 m Hebelarm zu multiplizieren und so auf das Moment zu schließen. Das Ergebnis wird nicht Null sein, aber bei deinen Einsatzbedingungen verschwindet es vermutlich im Rundungsfehler. Für den Seelenfrieden würde ich das Rad auf die Hinterachse montieren und ferrdich. Die Einpresstiefe sollte übrigens irgendwo zwischen den Schraubenlöchern eingeschlagen sein.

subj. Lenkrollradius: Als Erfinder des negativen solchen hatte ich immer Audi abgespeichert. Kann sein, dass ich mich da irre, kann auch sein, dass beides stimmt (Audi hat's erfunden, aber der Golf war der erste, der damit unter die Leute gelassen wurde). Ich habe das ferner immer für ein Frontantriebsspezifikum gehalten, kann aber sein, dass ich mich auch da irre. Beim Bremsen mit unterschiedlichen Reibbeiwerten rechts und links könnte ein negativer Lenkrollradius auch beim Hinterradantrieb nützlich sein. Ansonsten galt aber immer: Je LKW, desto Null! D.h. je höher die Achslast, desto zwingender wurde und wird der Lenkrollradius auf Null ausgelegt, auch wenn man dafür andere Kröten schlucken muss, wie z.B. positiven Sturz. Das galt um so mehr, als es noch keine Servolenkungen und ähnlichen Schnullikram gab. Ich habe die Werte vom T2 jetzt nicht greifbar, aber es sollte mich sehr wundern, wenn die nicht Null oder zumindest sehr nahe an Null betragen sollten.

Gruß
Clemens
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Norbert*848b
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Re: Einpresstiefe und Lenkrollradius

Beitrag von Norbert*848b »

T2a/b Camper hat geschrieben: 17.06.2024 17:22 Was sind denn das für Felgen? Ich kenne nur die originalen mit 5,5x14 ET 39...
Hmm, in den Unterlagen von VW hab ich jedoch mehr gefunden:
5,5 J x 14, ET 38 (39 und auch 41 wird zuweilen genannt),
von 08/70-, Teilenummern 211 601 027 H oder auch 211 601 027 HG.
Freundliche Grüße aus Algermissen

Norbert

Hab hin und wieder "Versager" und "Verzweifler" im reviedierten Zustand für den 50 PS Bus-Motor anzubieten.
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Wolfgang T2b *354
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Re: Einpresstiefe und Lenkrollradius

Beitrag von Wolfgang T2b *354 »

Moin Moin,

vielen Dank für Eure Kommentare.

Ehrlicherweise bin ich nicht davon ausgegangen, dass 3 mm ET-Differenz einen großen Unterschied ausmachen. Sonst hätte es mir ja eigentlich mal an den Lenkkräften beim Bremsen auffallen müssen. Andererseits bin ich auch nicht besonders feinfühlig, in dieser Hinsicht. Und ohne Servo sowieso nicht. Aber es wäre eine schöne Erklärung gewesen für das hin und wieder merkbare einseitige Ziehen. Dann sind’s wohl doch die Reifen.

@ Klaus
Meine ET-41-Felge ist noch original VW, die 38er ist namenlos und unbeschriftet. Ich habe sie mal von einer Werkstatt bekommen, die meine Felge beim Reifenwechsel so schwer mit dem Hammer misshandelt hatte, dass sie mir freiwillig Ersatz besorgt haben.

@Clemens
boggsermodoa hat geschrieben: 17.06.2024 22:05 Wolfgang T2b *354 hat geschrieben: ↑Mo 17. Jun 2024, 15:57

Bleibt noch der Lenkrollradius. Ich vermute, dass wir einen positiven haben, denn die Achskonstruktion stammt ja noch aus den 60er Jahren. Ich las, dass der Golf Mitte der 70er Jahre das erste Großserienfahrzeug mit negativem Lenkrollradius war. Mein positiver Radius wird also um 3 mm größer. Und wieder dieselbe Frage: merke ich das?

Beim Bremsen schon. Kann zwar sein, dass du dich dazu erst mal am nächsten Flughafen auf die Landebahn begeben müsstest, aber dann würdest du es merken - und zwar ähnlich drastisch wie der Unterschied zwischen leerem und besetztem Beifahrersitz. :wink:
„Und wär hats ärfunden?“ Den Lenkrollradius? Ich las, dass es irgendwas Unbekannteres war, aber der erste Großserienwagen soll der Golf gewesen sein. Das ist ja genetisch auch ein Audi. Mehr noch als ein VW.

Wir mussten gerade neulich über eine Landebahn fahren (inklusive 55 kg Schwerlast auf dem Beifahrersitz), aber da war Anhalten strikt verboten. Ich werde wohl auch keine weiteren Versuche zum Erhellen der Erkenntnis machen, denn je länger ich darüber nachdenke, desto unbedeutender scheint mir das ET-Thema gegenüber all‘ den anderen Einflüssen zu sein. Siehe oben: je Lkw, desto wurscht.

@Norbert
Dass VW ETs zwischen 38 und 41 hat, deutet darauf hin, dass es offensichtlich nicht auf den Millimeter ankommt. Gut so.


Danke Euch allen für die Nachdenkanstöße. Ich werde mir zwar notieren, dass die Felge eine andere ET hat, aber ansonsten business as usual. Sie kommt da drauf, wo sie gebraucht wird. Vielleicht fällt mir ja in Zukunft etwas am Fahrverhalten auf.

Schöne Grüße

Wolfgang
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boggsermodoa
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Re: Einpresstiefe und Lenkrollradius

Beitrag von boggsermodoa »

Wolfgang T2b *354 hat geschrieben: 18.06.2024 14:16
Wir mussten gerade neulich über eine Landebahn fahren (inklusive 55 kg Schwerlast auf dem Beifahrersitz), aber da war Anhalten strikt verboten.
In meiner frühen Jugend wurde der Sportflugplatz Ensheim zum Verkehrsflughafen Saarbrücken-Ensheim ausgebaut. Also zuerst mal die Bahn ordentlich verlängert, und zwar quer über die Straße nach St.Ingbert. Da gab's dann, bis die Umgehungsstraße gebaut wurde, 'ne Ampel und Schranke, wenn der "Düsseldorfer Fliecher", eine Turboprop-Maschine der ersten regelmäßigen Fluglinie eingeschwebt ist.
:yau:

Habe mal ein bisschen überschlägig rumgerechnet: Vollbremsung mit 1g bei 2+x to Gewicht. Die +x lassen wir mal der Hinterachse, dann herrschen vorne 20.000 N = 10.000 N pro Rad. Die multipliziert mit 3mm Spurversatz ergeben 30 Nm an der Lenkachse. Die Lenkübersetzung nehme ich mal mit 20:1 an, dann ergeben 2,5 Lenkradumdrehungen (900°) 45° Lenkeinschlag. Am Lenkrad bleiben dann 1,5 Nm übrig. Das Lenkrad dürfte so etwa 40 cm Durchmesser haben, also 0,2 m Radius. Dann musst du folglich eine Handkraft von 7,5 N aufbringen, um die aus dieser Asymmetrie resultierenden Krafte zu kompensieren, also soviel, wie wenn du 750 Gramm hebst.
--> zu spüren wird's also schon sein.
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Wolfgang T2b *354
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Re: Einpresstiefe und Lenkrollradius

Beitrag von Wolfgang T2b *354 »

Hallo Clemens,
boggsermodoa hat geschrieben: 18.06.2024 22:11 In meiner frühen Jugend wurde der Sportflugplatz Ensheim zum Verkehrsflughafen Saarbrücken-Ensheim ausgebaut. Also zuerst mal die Bahn ordentlich verlängert, und zwar quer über die Straße nach St.Ingbert. Da gab's dann, bis die Umgehungsstraße gebaut wurde, 'ne Ampel und Schranke, wenn der "Düsseldorfer Fliecher", eine Turboprop-Maschine der ersten regelmäßigen Fluglinie eingeschwebt ist.
Mmmh, wenn ich heute eine Schranke sähe, die wegen kreuzender Flugzeuge geschlossen wäre, würde ich aussteigen, freundlich lächeln und die versteckte Kamera suchen.
boggsermodoa hat geschrieben: 18.06.2024 22:11 Habe mal ein bisschen überschlägig rumgerechnet: Vollbremsung mit 1g bei 2+x to Gewicht. Die +x lassen wir mal der Hinterachse, dann herrschen vorne 20.000 N = 10.000 N pro Rad. Die multipliziert mit 3mm Spurversatz ergeben 30 Nm an der Lenkachse. Die Lenkübersetzung nehme ich mal mit 20:1 an, dann ergeben 2,5 Lenkradumdrehungen (900°) 45° Lenkeinschlag. Am Lenkrad bleiben dann 1,5 Nm übrig. Das Lenkrad dürfte so etwa 40 cm Durchmesser haben, also 0,2 m Radius. Dann musst du folglich eine Handkraft von 7,5 N aufbringen, um die aus dieser Asymmetrie resultierenden Krafte zu kompensieren, also soviel, wie wenn du 750 Gramm hebst.
Interessante Rechnung!

Wenn ich tatsächlich eine 1g-Bremsung hinlegen könnte (bin nicht sicher, ob das bei 2,4 t und ohne Servo technisch machbar ist), dann krallen sich meine Hände sowieso heftigst am Lenkrad fest. Da werde ich ein paar zusätzliche Newton gar nicht mehr registrieren. Damit ist das Thema Lenkrollradius wohl erledigt.

Wie sieht das denn beim Geradeausfahren aus? Den Seitendrall habe ich ja vor allem bei normaler Fahrt bemerkt, weniger beim Bremsen. Ich habe lange hin und her überlegt, doch mir fällt keine Überschlagsrechnung wie Deine zu den Bremskräften ein. Es geht um die Rückstellkräfte, die die Vorspur während der Fahrt auf Null ausgleichen und die bei mir an minimal unterschiedlichen Hebelarmen angreifen (4 Promille Differenz!). Für mich wären 4 Promille ziemlich viel, aber für die Lenkung doch eher nicht, oder?

Aus all‘ dem schließe ich, dass die 3 mm ET-Unterschied zwar für theoretische Überlegungen taugen, aber in der Praxis vernachlässigbar sind.

Danke fürs Nachdenken und schöne Grüße

Wolfgang
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