Oldtimerfans machen alles falsch!

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boggsermodoa
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Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von boggsermodoa »

Hey Leute,

im Forum ist wenig los, HeinzT2a schiebt Langeweile und diese vorweihnachtliche Besinnlichkeit kann einem auch auf den Keks gehen. Wie wär's also nochmal mit einer gepflegten Massenschlägerei :wink: und hinterher, wenn der Saloon verwüstet ist, vertragen wir uns alle wieder!
:bier:

Wer den Artikel in der OLDTIMER MARKT nicht gelesen haben sollte: Es geht dabei um den Vorwurf von professionellen Museumsrestauratoren, die Oldtimerfreunde würden mit ihrer Praxis, alte Autos in den Neuzustand zurück zu versetzen, historisches Kulturgut zerstören. Alte Autos sollte man vielmehr in dem Zustand konservieren, in dem man sie vorgefunden hat, auch wenn sie z.B. in diesem Zustand nicht fahr- oder sonstwie nutzbar seien. Es gelte vielmehr, die Originalsubstanz zu erhalten, um damit die alten Produktionstechniken, Materialien etc. zu dokumentieren. Dabei zählt alles, was das Auto im Laufe seiner Gebrauchsdauer erfahren hat (auch Beschädigungen, Umbauten, Umnutzungen und dergleichen) zur zu dokumentierenden Historie. Und alles, was diese Spuren verwischen würde, zählt folglich zu den Tabus.
Diesem extremen Standpunkt schließen sich nichtmal die Automobilhersteller an, die in ihren Werksmuseen selbstverständlich ein positives Bild ihrer früheren Produkte darstellen wollen.

Mir, als bekennender Nicht-Originalo, ging der Artikel zunächst mal runter wie Öl. Endlich bekommen diese Originaltürpappenclip-Grieskrame mal einen vor den Latz! :wink: Schööön! :verweis:
Nach einigem Nachdenken muß ich das jedoch wieder relativieren.
Zu einem Auto und zum Charakter eines alten Autos gehört nun einfach mal unverzichtbar auch der typische Benutzerkreis dieses bestimmten Modells. Besonders lehr- und aufschlußreich finde ich dabei immer wieder den Blick zum Citroen 2CV, weil der ist relativ unverdächtig, als Kapitalanlage oder als "Hintenrum_mit_H-Kennzeichen_Unterhaltskostensparauto" mißbraucht zu werden. Zu 'ner Ente gehörte zu ihren "Lebzeiten" nun mal untrennbar des Konterfei von Che Guevara auf der Fahrertür, der "Atomkraft nein danke!"-Bäpper auf dem Kofferraumdeckel und der regimekritische, bärtige Student am Volant. Und selbstverständlich gehörten auch der marode Unterboden, die angerosteten Grundschwellen und die Sorge dazu, daß die Schraube abreißt, wenn man die hintere Befestigungsmutter des vorderen Kotflügels löst.
Wenn man sich dagegen mal einen heutigen 2CV betrachtet, dann fällt auf, daß von alledem nichts mehr übrig ist. Die Dinger sind besser, als sie ab Werk jemals waren, sind top in Schuß und sind auf neu hergestellten, verstärkten und vollverzinkten Rahmen montiert, die jedes Ansinnen nach einem H-Kennzeichen von vornherein ad absurdum führen. Wenn die Knete keine Rolle mehr spielt, weil das Ding eben mit oder ohne H kaum Unterhaltskosten verursacht, ist das plötzlich alles garnicht mehr so wichtig. Und die Jungs haben trotzdem ihren Spaß damit, und mir gefällt's auch, wenn zwischen dem Alltagseinerlei nochmal 'ne Ente im Straßenbild zu sehen ist. Aber mit dem, was die Ente früher einmal war, hat das alles nichts mehr zu tun.

Ich komme deswegen zu dem Schluß, daß jedes Auto ab einem gewissen Zeitpunkt unrettbar verloren ist, ganz gleich, wem es in die Hände fällt. Ob man nun mit dem Status quo seine gelebte Historie konserviert, mit einer "Renovierung" den Auslieferungszustand wieder herstellt oder es in einen besseren Zustand versetzt, als es ab Werk jemals war - all diesen Handlungen ist gemeinsam, daß die Geschichte dieses individuellen Autos hiermit beendet ist. Unterschiede betreffen nur die Art und Weise wie diese Geschichte und was von dieser Geschichte künftig dokumentiert wird. Mir persönlich ist dabei ein "lebendes Auto", das ich draußen in freier Wildbahn beim Erfüllen seines ihm zugedachten Zwecks antreffe (nämlich fahrend), allemal lieber, als ein totes Ausstellungsstück, das nie wieder einen Laut von sich geben wird.

Mit alten VWs im Allgemeinen und dem Bus im besonderen, ist das jedoch so eine Sache. Die Kisten wurden quer durch die Bevölkerung von allen Schichten gefahren und deshalb gibt's den typischen Benutzerkreis eigentlich nicht. Käfer waren zu allen Zeiten auch immer Umbau- und Spielobjekte, und der T2 hatte von Baustellenfahrzeug bis Luxusbus eine solche Bandbreite, daß ein großer Teil ab Werk garnicht direkt zum Kunden ging, sondern erstmal irgendwo sonst seinem späteren Zweck entsprechend umgebaut wurde (Camper, Werkstattwagen, Eisauto, Ruthmann Steiger, etc.).
Wer heute also z.B. einen alten T2-Camper hat und diesen auch noch zum Reisen und Campen nutzt, der konserviert damit nicht irgendeine (und irgendjemandes) Historie, sondern schreibt die Geschichte dieses individuellen Autos fort.

Und das scheint mir - ob mit oder ohne Originaltürpappenclip - von allen Alternativen doch immer noch die beste.


Gruß,

Clemens
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Peter E.
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von Peter E. »

Vorab muss ich sagen, dass ich den Artikel noch nicht gelesen habe, weil ich die Zeitschrift irgendwo verlegt habe.

Ich denke, dass die Frage Geschichte erhalten oder –gestalten ganz klar von dem Fahrzeug abhängt, um dass es geht.

Es ist ja schon ein Unterschied, ob man ein in Handarbeit erstandenes Auto vor sich hat, von dem es vielleicht noch ein halbes Dutzend gibt oder eines aus moderner Massenproduktion, das noch tausendfach in allen Zuständen auf der Straße unterwegs ist.

Nehmen wir z.B. meinen Bus:

Wenn man ehrlich ist, war der doch eigentlich reif für den Schrott und hätte ich ihn nicht wieder zusammengebaut, wäre er jetzt vermutlich eine Coladose.
In 20 Jahren wird er auf diese Weise bestimmt die interessantere Geschichte zu erzählen haben ;)

Einen Bus wie den von toffi dagegen würde ich nur sehr behutsam restaurieren, um die Handschrift des Vorbesitzers zu erhalten.

Ein größtenteils in Handarbeit entstandenes Auto, bei dem das Armaturenbrett nicht millionenfach aus der Spritzform stammt, würde ich sicher ganz anders behandeln.

Das Auto ist aber nichtsdestotrotz einfach nur ein Industrieprodukt, genauso gut könnte man anprangern, dass jemand bei der Restaurierung eines Hauses die Kloschüssel austauscht…
Gruss von Peter aus dem Schwentinental
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Grzmblfxx
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von Grzmblfxx »

Naja,
fakt ist schliesslich: Ich kaufe mir ein Auto und mache daraus, was ich will (zumindest mir leisten kann).
Ich will weder Rücksicht auf die "Orginalos" nehmen noch auf irgendwelche Museumskuratoren.

Wer ein Auto in seinem Museum in orginalem Zustand konservieren will - bitte. Aber nicht ich.
Auch ist es mir wurscht (egal), ob meine Radkappen vom T2 oder vom T3 sind, solange ich keinen Unterschied erkennen kann (...und will).

Also, ich halte die Oldtimer- Zeitschriften in den ihnen zustehenden Ehren: Als Toiletten- Lektüre (was aber auch sehr kurzweilig und unterhaltsam sein kann).Man sollte aber auch da keine Relligion draus machen!

Schöne Grüße
Andreas

P.S. es ist schwehr, etwas zu konservieren - wann ist der Zeitpunkt, an dem der Gegenstand konserviert werden soll?
Bei der Auslieferung? nach dem ersten Besitzer? dem dritten? vor der Verschrottung? nach mir???
Schöne Grüße
Andreas *539
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FW177
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von FW177 »

Ich denke Clemens und Peter haben genau auf´n Punkt gebracht was der Unterschied zwischen Oldtimer und Oldtimer ist.
Finde diesen Aufgriff hier sehr schön und Diskussionswürdig. Bin auch der Meinung meiner beiden (mittlerweile sogar drei) vorredner deswegen kann ich nicht viel neues schreiben, nur soviel das mindestens die "Grundmauern und Wände" (um Peters gedanken fortzuführen) eines Hauses erhalten bleiben sollten.
Damit mein ich das Extrem tuning wo man echt probleme bekommt zu erkennen um was für ein Modell sich es wohl gehandelt haben möchte.
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olle78
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von olle78 »

Muß mich da meinen Vorrednern anschliessen, zumindest bei meinen Fahrzeugen hab ich das gemacht was MIR gefällt,
Meine Käfer und Busse sind zum Fahren da , auch wenn sie übers jahr gesehen mehr stehen wie fahren.

Bei den Restaurierten achte ich darauf des sie gut aussehen und auch fast keine Gebrauchsspuhren aufweißen.
Es gibt natürlich auch die Originalen, bei denen man die Mittlerweile fast 40Jahren ansieht und die auch darf, denn da achte ich das sie den Erhaltungszustand auch behalten, diese dind aber in solch einem Zustand das sie auf jeden Fall verkehrssicher sind.

Darum jedem das seine, es hat auch was in einem Museum oder so ein Fahrzeug zusehen, das noch im Ursprungszustand ist auch wenn der Rost dominiert.
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Harald
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von Harald »

Auch wenn mir meine Schweineerkältung irdenwie gerade das Hirn zukleistert:
boggsermodoa hat geschrieben: Wenn man sich dagegen mal einen heutigen 2CV betrachtet, dann fällt auf, daß von alledem nichts mehr übrig ist. Die Dinger sind besser, als sie ab Werk jemals waren, sind top in Schuß und sind auf neu hergestellten, verstärkten und vollverzinkten Rahmen montiert, die jedes Ansinnen nach einem H-Kennzeichen von vornherein ad absurdum führen. Wenn die Knete keine Rolle mehr spielt, weil das Ding eben mit oder ohne H kaum Unterhaltskosten verursacht, ist das plötzlich alles garnicht mehr so wichtig. Und die Jungs haben trotzdem ihren Spaß damit, und mir gefällt's auch, wenn zwischen dem Alltagseinerlei nochmal 'ne Ente im Straßenbild zu sehen ist. Aber mit dem, was die Ente früher einmal war, hat das alles nichts mehr zu tun.
Ich war nie und werde auch hoffentlich nie ein Freund extremer Standpunkte sein. Die zitierte Einstellung, ohne wenn und aber den "vorgefundenen" Zustand zu erhalten, kann ebensowenig Allgemeingültigkeit haben wie die der Faktion, die auf den verwendeten Schrauben der Motorveblechung eine VW-Ersatzteilnummer erwartet. Nur hat die letztere Fraktion meines Erachtens einen akzeptableren Standpunkt als die von Clemens angeführten Museumsleute. Denn wann mache ich denn den Deckel zu? Noch deutlicher als bei der Ente wird dies doch beim /8 oder dem W123. Da wechselten die Umstände des Autohaltens doch dramatisch. Znächst als Inkarnation des vollbrachten Wirtschaftswunders auch in der letzten Spießerecke. Leichte Gebrauchsspuren, Häckeldeckchen über den Sitzlehnen und den Dackel nebst gestrickter Klorollenabdeckung auf der Hutablage. Dann Studentenkarre - gerollt, gesprayt, mit Plaste über´n TÜV. Und jetzt: "Einstiegsdroge" der Mercedesfraktion. Gibt es eine "richtige" Zeit für diese Autos, die alleingültig zu erhalten wäre?

Und was mich an den Museumsvögeln richtig stört: Auch die Toprestaurierung ist bei einigen Autos gelebte Geschichte. Erneut die /8-Fraktion: Die, die heute überlebt haben, haben das nicht aus Zufall. Die "Ersthalter" können aus biologischen Gründen ebenso vernachlässigt werden wie die, die die Teile noch fahren, weil sie so gut sind. Die Teile sind heute in Liebhaberhänden - und das soll nicht Geschichte sein? Wenn andere Museumsvögel in 30 Jahren mal schauen, was die Leute Anfang des Jahrtausends so getrieben haben - dann soll ignoriert werden, daß eine großer Teil der Bevölkerung Spaß daran hatte, sich mit Blech zu beschäftigen?

Nee, da sind mir Originalos viel lieber!
Grüße,
Harald*393
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Mario73
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von Mario73 »

Ist hier fast wie das Thema:Original,originell oder individuell.

Auf meinen Kommentar,daß jeder mit seinem Auto machen könne,was er will(individuell),wurde ich drauf hingewiesen,daß das ja nicht die Frage war.
Also schreibe ich hier nichts zu!
Weil ich sonst wieder einen Rüffel bekomme....wobei das originell wäre.
T2b Grawomobil,No EMPI,No Westfalia

Sachkundiger/Gasprüfung nach G607

Buswärts ins Abenteuer
http://www.interessengemeinschaft-t2.or ... ck=Mario73
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Andi
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von Andi »

Mario73 hat geschrieben:Ist hier fast wie das Thema:Original,originell oder individuell.

Auf meinen Kommentar,daß jeder mit seinem Auto machen könne,was er will(individuell),wurde ich drauf hingewiesen,daß das ja nicht die Frage war.
Also schreibe ich hier nichts zu!
Weil ich sonst wieder einen Rüffel bekomme....wobei das originell wäre.
Meine Meinung.. Extremisten sind in allen Bereichen fehl am Platz, ein gesundes Maß ist das was man brauch.
Gruß
Andreas
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Rolf-Stephan Badura
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von Rolf-Stephan Badura »

Hallo zusammen,

mir ist die Argumentation der OM nicht neu - sie hat in Ansätzen auch ihre Berechtigung.

ABER: aus welchen Haushaltskassen sollen solche Museen bezahlt werden?
Und was haben solche nicht fahrbereiten Stehzeugen mit dem Thema Automobil zu tun.

Wie so oft gibt es keinen Königsweg.
Eine gute Mischung aus diversen Ansätzen erhält das Wissen über unsere automobilen Schätzchen.

Ich trage mit meinen restaurierten Fahrzeugen dazu bei,
dass Wissen teilweise digital für Jedermann - und nicht nur für ein paar elitäre Museumsexperten -
zur Verfügung steht. Aber auch dass Geräusche, Fahrdynamik, Gerüche etc. heute noch präsent sind,
und teilweise erst durch heutige digitalen Möglichkeiten erst der Nachwelt erhalten bleiben.

Das Technikmuseum in Berlin hat einen großen Fundus an Fahrzeugen,
den sie mangels Ausstellungsflächen und Personal niemanden zeigen.
Die wenigen zur Schau gestellten Autos stehen kaum sichtbar eng an eng.
Bewegt werden können auch nur wenig Fahrzeuge.
Dazu muß man wissen, dass Berlin vor dem ersten Weltkrieg Hauptstadt des Automobilbaues war.
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FW177
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Re: Oldtimerfans machen alles falsch!

Beitrag von FW177 »

Rolf-Stephan Badura hat geschrieben:Dazu muß man wissen, dass Berlin vor dem ersten Weltkrieg Hauptstadt des Automobilbaues war.
Warum muß man das dazu wissen?

Naja schade ist halt das es anscheinend sehr viele Fahrzeuge gibt die sich irgendwo versteckt aufhalten und evtl. totstehen
->Da unbehandelter Originalzustand.
Wenn die Fahrzeuge kaum sichtbar eng an eng stehen hat man im prinzip ja auch nix von denen.

Hoffe "unser" Museum geht als gutes Beispiel für Berlin vorran und "wir" stellen die Fahrzeuge von allen Seiten gut sichtbar und Informativ zur Schau! *freu* :thumb:
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