im Forum ist wenig los, HeinzT2a schiebt Langeweile und diese vorweihnachtliche Besinnlichkeit kann einem auch auf den Keks gehen. Wie wär's also nochmal mit einer gepflegten Massenschlägerei


Wer den Artikel in der OLDTIMER MARKT nicht gelesen haben sollte: Es geht dabei um den Vorwurf von professionellen Museumsrestauratoren, die Oldtimerfreunde würden mit ihrer Praxis, alte Autos in den Neuzustand zurück zu versetzen, historisches Kulturgut zerstören. Alte Autos sollte man vielmehr in dem Zustand konservieren, in dem man sie vorgefunden hat, auch wenn sie z.B. in diesem Zustand nicht fahr- oder sonstwie nutzbar seien. Es gelte vielmehr, die Originalsubstanz zu erhalten, um damit die alten Produktionstechniken, Materialien etc. zu dokumentieren. Dabei zählt alles, was das Auto im Laufe seiner Gebrauchsdauer erfahren hat (auch Beschädigungen, Umbauten, Umnutzungen und dergleichen) zur zu dokumentierenden Historie. Und alles, was diese Spuren verwischen würde, zählt folglich zu den Tabus.
Diesem extremen Standpunkt schließen sich nichtmal die Automobilhersteller an, die in ihren Werksmuseen selbstverständlich ein positives Bild ihrer früheren Produkte darstellen wollen.
Mir, als bekennender Nicht-Originalo, ging der Artikel zunächst mal runter wie Öl. Endlich bekommen diese Originaltürpappenclip-Grieskrame mal einen vor den Latz!


Nach einigem Nachdenken muß ich das jedoch wieder relativieren.
Zu einem Auto und zum Charakter eines alten Autos gehört nun einfach mal unverzichtbar auch der typische Benutzerkreis dieses bestimmten Modells. Besonders lehr- und aufschlußreich finde ich dabei immer wieder den Blick zum Citroen 2CV, weil der ist relativ unverdächtig, als Kapitalanlage oder als "Hintenrum_mit_H-Kennzeichen_Unterhaltskostensparauto" mißbraucht zu werden. Zu 'ner Ente gehörte zu ihren "Lebzeiten" nun mal untrennbar des Konterfei von Che Guevara auf der Fahrertür, der "Atomkraft nein danke!"-Bäpper auf dem Kofferraumdeckel und der regimekritische, bärtige Student am Volant. Und selbstverständlich gehörten auch der marode Unterboden, die angerosteten Grundschwellen und die Sorge dazu, daß die Schraube abreißt, wenn man die hintere Befestigungsmutter des vorderen Kotflügels löst.
Wenn man sich dagegen mal einen heutigen 2CV betrachtet, dann fällt auf, daß von alledem nichts mehr übrig ist. Die Dinger sind besser, als sie ab Werk jemals waren, sind top in Schuß und sind auf neu hergestellten, verstärkten und vollverzinkten Rahmen montiert, die jedes Ansinnen nach einem H-Kennzeichen von vornherein ad absurdum führen. Wenn die Knete keine Rolle mehr spielt, weil das Ding eben mit oder ohne H kaum Unterhaltskosten verursacht, ist das plötzlich alles garnicht mehr so wichtig. Und die Jungs haben trotzdem ihren Spaß damit, und mir gefällt's auch, wenn zwischen dem Alltagseinerlei nochmal 'ne Ente im Straßenbild zu sehen ist. Aber mit dem, was die Ente früher einmal war, hat das alles nichts mehr zu tun.
Ich komme deswegen zu dem Schluß, daß jedes Auto ab einem gewissen Zeitpunkt unrettbar verloren ist, ganz gleich, wem es in die Hände fällt. Ob man nun mit dem Status quo seine gelebte Historie konserviert, mit einer "Renovierung" den Auslieferungszustand wieder herstellt oder es in einen besseren Zustand versetzt, als es ab Werk jemals war - all diesen Handlungen ist gemeinsam, daß die Geschichte dieses individuellen Autos hiermit beendet ist. Unterschiede betreffen nur die Art und Weise wie diese Geschichte und was von dieser Geschichte künftig dokumentiert wird. Mir persönlich ist dabei ein "lebendes Auto", das ich draußen in freier Wildbahn beim Erfüllen seines ihm zugedachten Zwecks antreffe (nämlich fahrend), allemal lieber, als ein totes Ausstellungsstück, das nie wieder einen Laut von sich geben wird.
Mit alten VWs im Allgemeinen und dem Bus im besonderen, ist das jedoch so eine Sache. Die Kisten wurden quer durch die Bevölkerung von allen Schichten gefahren und deshalb gibt's den typischen Benutzerkreis eigentlich nicht. Käfer waren zu allen Zeiten auch immer Umbau- und Spielobjekte, und der T2 hatte von Baustellenfahrzeug bis Luxusbus eine solche Bandbreite, daß ein großer Teil ab Werk garnicht direkt zum Kunden ging, sondern erstmal irgendwo sonst seinem späteren Zweck entsprechend umgebaut wurde (Camper, Werkstattwagen, Eisauto, Ruthmann Steiger, etc.).
Wer heute also z.B. einen alten T2-Camper hat und diesen auch noch zum Reisen und Campen nutzt, der konserviert damit nicht irgendeine (und irgendjemandes) Historie, sondern schreibt die Geschichte dieses individuellen Autos fort.
Und das scheint mir - ob mit oder ohne Originaltürpappenclip - von allen Alternativen doch immer noch die beste.
Gruß,
Clemens