subj. Waffen:
Eine Waffe zu ziehen ist ein starkes Argument! Und zwar ein total überzogenes, wenn der Gegner keine eigene hat. Wenn er jedoch auch eine haben sollte, dann wird einer von uns beiden wohl gleich tot am Boden liegen - wozu es nie gekommen wäre, hätte ich meine eigene nicht gezogen oder sie nicht dabei gehabt - oder nie besessen. Das stimmt natürlich nur für Situationen, in denen es halbwegs rational zugeht. Wenn das nicht gegeben ist, wie im Falle des gestrigen Amoklaufs, mag man zu anderen Ansichten gelangen. Mir scheint es jedoch fraglich, ob es einem der Opfer genutzt hätte, eine eigene Waffe dabei zu haben. Wenn jemand die Tür des Klassenzimmers aufreißt und losballert, da hilft wohl auch ein sehr tief geschnallter Revolver nix mehr. Grundsätzlich wirkt das Ziehen einer Waffe eskalierend, während die Situation i.d.R. das Gegenteil, nämlich Deeskalation erfordern würde.
--> Eine Waffe im Haus ist ein Unfall, der auf seine Stunde wartet.
subj. schärfere Gesetze:
Es stimmt zwar, daß von Radarwarnern über Geschwisterliebe bis zum Betreten der Baustelle alles Mögliche verboten ist. Daraus folgt aber nicht, daß es das alles etwa nicht gäbe. Mit Verboten kann man zwar so etwas wie eine gesellschaftliche Ächtung erreichen, also bei widersprüchlichen Standpunkten auf einen Gesetzestext verweisen, der den eigenen Standpunkt als den "richtigen" ausweist, wobei dieses "richtig" jedoch nur die Übereinstimmung mit einer gesellschaftlichen Konvention bedeutet. Inwiefern gesellschaftliche Konventionen in der Gedankenwelt eines Verbrechers, eines Amokläufers oder Massenmörders eine Rolle spielen, darüber kann man ja mal spekulieren. Falls sie eine Rolle spielen, dann doch wohl eher in der Form, daß sie zum Verstoß ermuntern, etwa in der Art, in der ein Password oder ein Kopierschutz zum Knacken animiert. Hätte ich wohl mit dem Rauchen angefangen, wenn es mir als Heranwachsender nicht verboten gewesen wäre?
Gucken wir uns doch mal z.B. die ganzen Gesetze zur Terrorismusbekämpfung an. Die schränken die Persönlichkeitsrechte jedes einzelnen von uns z.T. in unerträglichem Ausmaß ein. Ich klopfe diese Zeilen z.B. gerade in meinen "Schäuble"-Rechner.

Der - und nur der - hängt am Netz. Meine Kundendaten, zu deren diskreter Behandlung ich selbstverständlich verpflichtet bin, befinden sich auf einer anderen Mühle, die keinerlei physikalische Verbindung zu "Schäuble" hat. D.h. in diesem unserem Rechtsstaat bin ich bereits erheblich mehr damit beschäftigt, mich vor den Staatsorganen und ihrer Datensammelsucht zu schützen, als ich mir Sorgen um irgendwelche kriminellen Handlungen anderer Internetuser mache. Das ist insgesamt eine bedenkliche Entwicklung, welche die Freund-Feind-Erkennungsmechanismen jedes einzelnen erheblich durcheinander bringen kann. Dabei ist jedoch vollkommen klar, daß all diese Gesetze keinen einzigen zukünftigen Terroranschlag werden verhindern können. Statt des Terrorismus wird damit nur die Angst vorm Terrorismus bekämpft. Dem "braven Bürger" wird suggeriert, der Staat täte was gegen den Terrorismus. Fläz dich ruhig weiter auf dein Sofa und guck "Wetten daß!", wir kümmern uns um den Rest. Bei Licht betrachtet hat er jedoch nicht die geringste Handhabe gegen künftige Terroranschläge, zumindest solange man den Handlungsspielraum nur auf die Vereitelung geplanter Taten beschränkt. Sicherheit kann jedoch nur entstehen, wenn man endlich mal die
Ursachen von Terrorismus angehen würde - und das geht mal nicht soeben im Vorbeigehen mit einem Federstrich, sondern erfordert mühsame Arbeit.
subj. Erziehung:
Um ein Kind zu erziehen braucht man ein ganzes Dorf! (afrikanisches Sprichwort)
Die Schule in Deutschland ist in erster Linie eine Selektionseinrichtung, in zweiter eine Bildungseinrichtung und frühstens in dritter Linie eine pädagogische Einrichtung. An diesem letzten Punkt halten wir uns verglichen mit dem Ausland (namentlich Frankreich) sehr zurück. Das hängt z.T. mit unserer Geschichte zusammen (Drittes Reich) und es hängt vor allem auch damit zusammen, daß unser Schulsystem in einer Zeit geschaffen wurde, als die Welt noch heil war, die Familien intakt, drei Generationen unter einem Dach lebten und man in der Gemeinschaft verwurzelt war. Keine Scheidungsraten von 30%, keine Patchworkfamilien, keine Alleinerziehenden, keine Wochenendpendler, keine Arbeitsnomaden und keine Altersheime. Man hat einander gekannt, füreinander gesorgt, sich füreinander interessiert. Ich persönlich hatte zwar kein ganzes, aber doch ein halbes Dorf zu meiner Erziehung zur Verfügung, habe an vielen Tischen gesessen und gegessen und habe auch das halbe Dorf in meinem Elternhaus zu Gast gehabt.
All das gibt's heute nicht mehr! Die Behüteten werden vom Balettunterricht zum Geigenunterricht und anschließend zum Reitunterricht gekarrt, die anderen hängen vor der Glotze oder vorm PC. Erziehung findet nicht mehr statt, zumindest was die Erziehung durch Konfrontation mit allen möglichen sozialen, kulturellen und Altersschichten betrifft. Zwar bemühen sich Eltern, die ihre Aufgabe ernst nehmen, auch heute noch um die Vermittlung von Werten, doch das ist eine Monokultur, ein eingeschränkter Horizont, der den Rest ausblendet. Was vor allem fehlt, ist die soziale Integration, das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein - und zwar ein willkommener.
Genau diese Lücke kann die Schule, so wie wir sie kennen, füllen. Nämlich dann, wenn sich die ganze Klasse zusammenrottet, um gegen den Schulbetrieb zu rebellieren und ihn zu sabotieren. Das ist dann eine Gemeinschaft. Alle halten zusammen und ziehen am gleichen Strang. Nur leider entspricht es nicht dem Wesen und nicht der Zielsetzung der Schule. Die basiert nämlich auf dem genauen Gegenteil, nämlich der Entzweiung der Klassengemeinschaft, dem Aufteilen in gute und schlechte Schüler, der Selektion in die verschiedenen Schulsysteme, dem Konkurrenzkampf untereinander, der Mißgunst und der Sorge davor, daß einem der Mitschüler später mal den Ausbildungs- oder Studienplatz wegschnappen könnte. Und sie bedient sich dabei aller authoritären Mittel, stellt sich als übermächtiger Apparat dar, gegen den der einzelne Schüler ohnmächtig ist.
--> Wer die Erziehung der Kinder der Schule aufbürden will, der macht endgültig den Bock zum Gärnter!
Wenn man die Ereignisse von gestern mit denen in Erfurt vor sieben Jahren vergleicht, dann findet man nur wenige Gemeinsamkeiten. Hier war es ein erfolgreicher Schüler ohne materielle Sorgen und mit besten Zukunftsaussichten, dort ein Schulversager ohne Perspektive. Die einzige Parallele scheint wirklich
die Zurückgezogenheit und der Mangel an tauglichen, belastbaren sozialen Kontakten zu sein. Und die Ballerspiele - ja, mein Gott! - die Ballerspiele. Die gab's in meiner Kindheit noch nicht, aber ich erinnere mich noch gut an die entsetzten Augen meiner Mutter, als sie den ans Fliederbäumchen auf dem Rasen gefesselten Teddybären erblickt hat, den wir mit Pfeil und Bogen erschossen hatten!
In wem hätten da nicht die Alarmglocken geschrillt?
Gruß,
Clemens
(der bei seiner letzten Schlägerei seinen letzten Milchzahn eingebüßt hat)